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Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 47
Sonnenstrahlung wird auch die Temperatur gesenkt : In den östlichen Innenalpen
werden auf 1.000 m Höhe etwa an 60 Tagen im Jahr Temperaturen von über 15 °C
gemessen, in den Randalpen ist die Anzahl bei gleicher Höhenlage viel geringer.
Die Waldgrenze liegt in den Nordalpen bei 1.800 m, im Gegensatz zu den lokal
möglichen hohen Grenzen in den inneralpinen Trockentälern, wie zum Beispiel
2.500 m im Vinschgau.111
Das für alpine Randlagen typische Klima mit maritimen Zügen findet sich auch
in der nordöstlichen Steiermark im Altenmarkter Becken und in Mariazell.112 Dieses
äußert sich durch mehrere Tage andauernde Niederschläge aufgrund von Staula-
gen. Die Region wird dadurch sehr anfällig für Vermurungen und Lawinenabgänge.
Die durchschnittliche Niederschlagsmenge liegt bei etwa 1.700 mm pro Jahr, davon
240 mm im Juli, mit einer Durchschnittstemperatur von nur 17 °C. In den Ybbstaler
Alpen gibt es bis zu 160 Regentage im Jahr und einen schneereichen Winter. Die
Grenze des Dauersiedelraums liegt hier deshalb bei nur 900 m, obwohl die Tallagen
mit durchschnittlich 450 m recht niedrig liegen und die Gipfel nur rund 1.800 m
Höhe erreichen. Nebel gibt es im Tal kaum, dafür umso mehr in Hanglagen. Die
häufigen Schluchten in diesem Gebiet bedingen zusätzliche Feuchtigkeit und Kälte
aufgrund der geringen möglichen Sonneneinstrahlung. Die Schneedecke hält sich
hier sehr lange, bis zu 125 Tage in Wildalpen. Zumindest ist die Region jedoch nicht
sehr kalt, doch es gibt Ausnahmen, wie zum Beispiel das sehr kalte Halltall bei Ma-
riazell (bis zu –30°C). Allgemein drückt das ungünstige Klima die Waldgrenze – wie
auch die Kulturgrenze – eine der niedrigsten in den Ostalpen. Auch die Schweizer
Voralpen sind durch hohe Niederschlagsraten gekennzeichnet.113
Die nordalpinen Randlagen sind daher überwiegend ein ungünstiges Siedlungs-
gebiet. Viele Regionen wurden aus diesem Grund erst spät systematisch erschlos-
sen. Eine durchgehende Besiedlung und Rodung erfolgte oft erst aus religiösen
Gründen, beispielsweise durch den Kartäuserorden. Ab dem hohen Mittelalter
erweiterte der landarme Adel seine Machtbasis durch Rodungen in schwieriger zu
nutzenden Räumen, da die Altsiedelräume und günstigere Lagen schon vollstän-
dig erschlossen waren.114 Gelegentlich führte das zur Gründung von Siedlungen
an Orten, die dafür eigentlich gar nicht geeignet waren und deshalb bei einer
Abfolge von klimatisch ungünstigen Jahren wieder aufgegeben werden mussten.
Doch dazu mehr unten im Kapitel über das Klima des frühen Mittelalters.
111 Burga (Hg.), Vegetation und Klima der Schweiz 98.
112 Die Angaben betreffend die Steiermark stammen – wo nicht anders angegeben – alle aus dem
Digitalen Atlas Steiermark, Schlagwort „Klimaregionen“, http ://www.gis.steiermark.at.
113 Burga (Hg.), Vegetation und Klima der Schweiz 76.
114 Krawarik, Siedlungsgeschichte 255 ff.
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Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361