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54 Naturraum Alpen
sich weitgehend mit diesen Erkenntnissen. Außerdem kann man aus einer verglei-
chenden Jahresringdarstellung ableiten, dass es ab dem Jahr 700 in den Alpen eine
deutliche Wärmeperiode gegeben hat. Der Aletschgletscher folgt ebenfalls diesen
Ergebnissen, allerdings in leicht anderen Dimensionen. In der Abbildung 4 unten
ist eine deutliche Abnahme der Gletscher um das Jahr 750 zu erkennen, gleichzei-
tig erscheint hier die Zunahme des Gletschers zwischen 800 und 900 dramatischer
als anderswo. Dies zeigt, wie schwer es ist, die Ergebnisse einer Messstation auf
andere Regionen anzuwenden.
Die Untersuchungen am Schweizer Gorner- und Grindelwaldgletscher zeigen
ebenfalls Gletschervorstöße in den Jahren 500–600 und 800–900, die, verbunden
mit Untersuchungen an den Variationen der Seespiegel im Gebiet der Schweizer
und französischen Voralpen, eine erhöhte Niederschlagsrate im Sommer sowie
auch kühlere Temperaturen im Winter andeuten.132 Für das Rhônedelta liegen Da-
ten des 5. bis 7. Jh. vor, sie zeigen eine vermehrte hydrologische Aktivität.133 Eine
klimatische Verschlechterung kann auch in den Südwestalpen gemessen werden.134
Conradin A. Burga und Roger Perret in „Vegetation und Klima der Schweiz seit
dem jüngeren Eiszeitalter“ (1998) schließen aufgrund der Analyse von Waldgren-
zen auf eine „maximale Erhöhung bzw. Erniedrigung der Sommermitteltempe-
raturen der letzten 10.000 Jahre gegenüber heute von nur ca. 0,6–0,7 °C“135. Die
hier „Göschener Kaltphase II“ genannte Kaltzeit des frühen Mittelalters wurde
aufgrund von Pollenanalysen, Seespiegelschwankungen und Gletschervorstößen
in der Schweiz rekonstruiert. Hier wurden zwei „deutliche Vorstöße“ des Aletsch-
gletschers „um 1700/1600 BP und 1300 BP“136 registriert, also im Vergleich zu der
Abbildung oben um etwa hundert Jahre versetzt.
Das Klima in den Alpen des Frühmittelalters war daher mit großer Wahrschein-
lichkeit zumindest phasenweise kühler und feuchter als heute. Die Klimaforschung
kann aber kalte und/oder feuchte Perioden im Moment noch nicht so genau da-
tieren, wie es sich die Geschichtsforschung wünschen würde. Auch das genaue
132 Holzhauser (Hg.), Glacier and lake-level variations in west-central Europe over the last 3500 years ;
in : The Holocene 15.
133 Durand, Les milieux naturels 73 ff. Katastrophale Überschwemmungsereignisse können auch auf
menschliches Wirken zurückgeführt werden, beispielsweise, wenn ein Wald gerodet wurde und
deshalb die Böden den Regen nicht mehr aufnehmen können und teilweise sogar weggeschwemmt
werden. Auch Steppen- und Wüstenbildung kann durch menschliches Wirken ausgelöst werden,
wie das Beispiel Syrien im 6./7. Jh. zeigt. Koder, Der Lebensraum der Byzantiner 46.
134 Miramont (Hg.), Reconstitution des paléoenvironnements 194 f.
135 Burga (Hg.), Vegetation und Klima der Schweiz 719.
136 Ebd. 723.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361