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68 Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen
Alpes25 bekannt, der dem Comes von Italien unterstellt ist. Die Definition eines
tractus ist „eine geografische Linie“.26 Wie dieser genau ausgesehen haben soll und
wo er lag, ist Gegenstand vieler Spekulationen. Aufgrund des aus den literarischen
Quellen entstandenen Bildes, kombiniert mit der Realität der Angriffe entlang des
zentralen und östlichen Alpenbogens, wurde daher gelegentlich eine systemati-
sche Verteidigungslinie angenommen und alle Festungen des Alpenraums diesem
tractus zugeordnet.27 Eine andere These vermutet, dass dem comes Italiae nicht die
gesamte norditalienische Diözese, sondern nur deren „nördlicher Grenzstreifen
entlang der Alpen“ unterstanden sei. Er befehligte also nur ein Abschnittskom-
mando. 28 Reinhard Schneider redet von einem (nicht näher definierten) alpinen
Sperrsystem,29 wie auch Herwig Wolfram, der vermutet, dass Theoderich den trac-
tus übernommen und ausgebaut hätte.30 Hermann Vetters spricht sich gegen einen
limes italicus aus und weist darauf hin, dass ja nicht alle Festungen der Spätantike an
einer strategischen Position liegen.31 G. Alföldy wiederum vermutet für das 6. Jh.
eine systematische Befestigungslinie, eine Art limes, entlang der Drau.32
Allerdings sprechen sowohl die topografischen Schwierigkeiten – das Gebirge
als ganzes ist auch mit großem Aufwand kaum zu befestigen – als auch die Quellen
eher gegen einen durchgehenden limes in den Alpen. In den Alpen selbst gibt es
wenig Spuren von Sperrlinien. Möglicherweise wurden Verteidigungswälle und
ähnliches nur im Anlassfall gebaut und hatten deshalb lediglich kurz Bestand.
Zu solchen Anlagen könnten beispielsweise die Spuren von spätantiken Vertei-
digungslinien in Vorarlberg33 und eine Sperrmauer nördlich von Teurnia zählen.34
Unklarer Funktion ist auch die Anlage am Col de Cluy auf 1.800 m Höhe. Es han-
delt sich um eine rechteckige, 300 m mal 100 m große ummauerte Fläche, die der
Ausdehnung und Form nach ganz auf ein typisch römisches Militärcamp deutet.
Doch eine Datierung ist kaum möglich. Eventuell dienten die Bauten dem Schutz
der Minen von Brandes, die sich in der Nähe befanden.35
25 Notit. dig. occ. XXIV „Sub dispositione viri spectabilis comitis Italiae : Tractus Italiae circa Alpes.“
26 Scharf, Der Dux Mogontiacensis 69.
27 Zur Diskussion dazu Scharf, Der Dux Mogontiacensis 70 FN 244.
28 Scharf, Der Dux Mogontiacensis 69 ff.
29 Schneider, Fränkische Alpenpolitik 34.
30 Wolfram, Die Goten 306.
31 Vetters, Kontinuität 37.
32 Alföldy, Noricum 216.
33 Napoli, Recherches 463 ff. nach Jantsch, spätantike Befestigungen in Vorarlberg, in : Mitteilungen der
anthrop. Gesellschaft 73 ff.; 1947.
34 Glaser, Teurnia 135 f.
35 Rousset, Au pays de la Meije 125 ; Leguay (Hg.), Savoie 306.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361