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Die Alpen als Grenze 75
kischer Abgesandter konnte nun nicht mehr so leicht Oberitalien queren. Gleich-
zeitig erkannte der von den Merowingern selbst eingesetzte Herzog der Baiern,
Garibald I., in den Langobarden eine gute Möglichkeit, seine eigenen politischen
Ideen zu verwirklichen und die strategische Lage am Alpenrand auszunützen, um
auch die Alpenpässe des heutigen Tirol unter Kontrolle zu bringen. Unterstützt
wurden diese Pläne sicher von seiner langobardischen Ehefrau Waldarada und
seinem Schwiegersohn, dem langobardischen Herzog von Trient.78
Die fränkischen und byzantinischen Besitzungen in Oberitalien mussten nun
größtenteils aufgegeben werden. Zusätzlich unternahmen die Langobarden in
den Jahren 571–574 auch mehrere Beutezüge in und über die Westalpen hinweg
Richtung Südfrankreich. Die Plünderer mussten sich schließlich dem erfolgrei-
chen fränkischen Feldherren Mummolus geschlagen geben.79 Die merowingischen
Herrscher des Burgunderreiches versuchten danach erneut, die Grenzfestungen
jenseits der Alpen in ihren Besitz zu bekommen. Die austrasischen Franken pak-
tierten unter Childebert mit Byzanz und griffen die Langobarden unter anderem
über die churrätischen Pässe an. Diese Strategie schien zuerst Erfolg zu verspre-
chen, doch spätestens 588 hatten sich die Langobarden mit den Baiern verbündet
und das Unternehmen wurde zur Niederlage. Doch schon 589 wurde der aufmüp-
fige Baiernfürst entmachtet und die Frankenherrscher konnten sich wieder ihrer
Besitztümer sicherer sein. Zwei Jahre später wurde ein neuer Baiernherzog, Tas-
silo, von den Merowingern eingesetzt, möglicherweise ein Verwandter der oben
genannten bairischen Herzöge. Im Gegensatz zu diesen blieb er jedoch den frän-
kischen Herrschern treu.80
Der Frieden, den König Childebert mit dem langobardischen König Agilulf 591
schloss, fixierte wohl endgültig bei Meran die Grenze zwischen dem fränkischen
Rätien und dem langobardischen Gebiet. Dies bedeutete im Detail oft eine Abwei-
chung von den römischen Provinzgrenzen. Der Vinschgau, der vorher noch zum
Bistum Säben und damit zu Raetia II gehörte, wurde ebenso wie das Bergell zu
Chur geschlagen, während Bellinzona Teil des Territoriums von Mailand wurde.
Im Norden konnte sich die endgültige Grenze gegen Alemannien im Vorderrhein-
tal erst durch die Gründung von Disentis im 8/9. Jh. festigen, im unteren Alpen-
rheintal an der Wende vom 7. zum 8. Jh.81
78 Wolfram, Grenzen und Räume 76 f.
79 Gregor von Tours Hist. IV 42 und 44.
80 Gregor von Tours Hist. IX 25, X 3 ; Paulus Diaconus Hist. Lang. III 30 ; Wolfram, Grenzen und
Räume 76 ff.; Schmid, Bayern und Italien 60 f.
81 Kaiser, Churrätien 33 f. und 36 f.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361