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Die Alpen als Grenze 77
Eroberung des Ostalpenraumes aktiv unterstützten.87 Dagegen spricht die eher
aggressive Haltung der benachbarten Slawen gegenüber den östlichen langobar-
dischen Dukates Friaul zu dieser Zeit, die Paulus Diaconus in seiner Geschichte
der Langobarden durchschimmern lässt.88 Allerdings war der friulanische Dux tra-
ditionell aufmüpfig gegenüber dem König in Pavia, der wiederum üblicherweise
gute Kontakte zu den Awaren hatte. Möglicherweise handelte es sich hier also
um Straf expeditionen. Die Langobarden hatten schließlich ansonsten gute Verbin-
dungen mit den Awaren.89 Denkbar ist aber auch, dass im Gebiet des ehemaligen
Binnennoricum ein Machtvakuum geherrscht hatte, da die Franken Ende des 6. Jh.
mit inneren Kämpfen und den Konflikten mit den Langobarden genug zu tun
hatten.90 Die Slawen und Awaren konnten dieses Gebiet ab etwa 590 daher relativ
einfach erobern.
Allerdings konnte man in Noricum noch im Jahr 591 hoffen, sich an die Fran-
ken wenden zu können. Denn in einem Brief aus diesem Jahr an Kaiser Maurikios
drohen die Bischöfe in Grado, dass man sich bei mangelnder Unterstützung von
Byzanz die Weihe auch im Frankenreich holen könnte, wie dies früher schon ein-
mal geschehen sei.91 Die Situation sah nur 20 Jahre später ganz anders aus. Um
610 missionierte der irische Mönch Columban im Auftrag des austrasischen Königs
Theudebert II im alemannischen Raum. Er dachte darüber nach, die Slawen zu
missionieren. Da sein damaliger Aufenthaltsort Bregenz war, kann man folgern,
dass er zu den Slawen im Ostalpen- oder mittleren Donauraum gehen wollte.
Diese Region war außerdem die einzige Mitteleuropas, die als einstiger Teil des
fränkischen Herrschaftsraumes slawisch/awarisch geworden war. Doch laut seiner
Vita wird Columban von einem Engel von diesem Vorhaben abgebracht. Der Bote
Gottes zeichnete eine Weltkarte nach dem damals üblichen T-Schema auf und
meinte, der Heilige solle links oder rechts, nach Belieben, gehen. Normalerweise
sind Europa und Afrika das rechte und linke untere Viertel dieser Karten.92 Der
87 Dahinter steht auch die Entscheidung der Langobarden, 568 Pannonien den Awaren zu überlassen
und Italien zu erobern. Zu den Hintergründen dazu : Pohl, Awaren 52 ff.
88 Paulus Diaconus Hist. Lang. IV 37.
89 Pohl, Awaren 240 ; Krahwinkler, Friaul 39 f.; Paulus Diaconus Hist. Lang. IV 20, 24, 28.
90 Lebecq, origines franques 117. Eine etwaige vorhandene byzantinische Besatzung hätte sich wohl
bald zurückgezogen, da eine Versorgung des Landes aufgrund der Gebietsverluste in Norditalien
kaum mehr möglich gewesen wäre. Zu der These, dass Byzanz Noricum zurückerobern konnte :
Klebel, Das Fortleben des Namens „Noricum“ 484 ff.
91 Auch mit diesem Brief ist also die Zugehörigkeit Noricums zum Frankenreich belegt. Berg, Bischöfe
82 ff.; Pohl, Awaren 147 ff. Mehr zu den norischen Bistümern im Kapitel über das Christentum in den
Alpen ab S. 190.
92 Woodward (Hg.), The history of cartography 301 ff.
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361