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Die Alpen als Grenze 79
im späten 7. Jh. erfolgende Eroberung der alpinen Gebiete ist der Gebietsname
„Sundergau“, der im heutigen voralpinen Bayern lag, und „Südgau“ bedeutet. Da-
mit wurde also die südliche Grenze des bairisch beherrschten Raumes im frühen
Mittelalter bezeichnet. Laut Irmtraut Heitmeier hätten die Franken gar kein Inter-
esse daran gehabt, einen wichtigen Weg in den Ostalpenraum und nach Italien so
unsicheren Bündnispartnern wie den Baiern zu überlassen. Die Forscherin betont
stattdessen die relative Autonomie und Pufferfunktion der Breonen im Inntal. Für
eine fränkische Präsenz im Inntal noch weit in das 7. Jh. gibt es durchaus Indi-
zien.100 Auch die Aktion bei Aguntum ist nicht notwendigerweise nur über die
Route durch das Inn- und Pustertal zu realisieren : Damals vermutlich genauso
genutzte Pässe waren etwa der Fuscher oder Rauriser Tauern beim Großglockner,
auch der Felber Tauern wäre ein möglicher Weg gewesen.101 Es könnte sich um
den Versuch gehandelt haben, die Slawen und Awaren von der Überschreitung
des Alpenhauptkammes nach Norden abzuhalten. Das Salzachtal blieb ja bis in das
beginnende 8. Jh. noch umkämpfter Grenzraum.102 Vielleicht agierte das bairische
Heer im fränkischen Auftrag, wobei man allerdings die verschiedensten Konflikte
der Merowinger untereinander nicht vergessen sollte.103
Um die schnell wechselnden politischen Bündnisse und Feindschaften dieser
Zeit genau durchschauen zu können, fehlen halbwegs objektiv berichtende Quel-
len, denn jeder frühmittelalterliche Autor hatte eine klare Vorstellung davon, wer
Feind und wer Freund war. Eine sichere Antwort auf die Frage nach den damaligen
Territorien und Grenzen wird es daher wohl nie geben. Dazu kommt noch eine
andere Konzeption des Grenzbegriffes als heute, auf die weiter unten genauer
eingegangen werden wird. Die Grenzräume in den Alpen waren breite Säume,
die sich vor allem im 7. Jh. weitgehend selbst verwalten konnten und die durch
die Oberherrschaft – sei es fränkisch, bairisch oder awarisch – nur wenig berührt
waren. Churrätien gehörte beispielsweise Ende des 6. Jh. zum austrasischen Teil
des Frankenreiches, danach dürfte es zum burgundischen Teilreich gehört haben.
Man hört wenig bis gar nichts über die Art der Bindung zwischen dem Amtsträger
in Chur und den Merowingerkönigen. Aus dieser Tatsache alleine kann zwar noch
keine Autonomie geschlossen werden, fest steht aber, dass die Verwaltungsstruk-
turen spätantik-römisch blieben und teilweise Zustände aus dem 6. Jh. konserviert
wurden.104 Dies spricht für eine gewisse Eigenständigkeit.
100 Heitmeier, Inntal 205 ff.
101 Siehe auch Kapitel „Routen durch die Alpen : Ostalpen“ ab S. 143.
102 Siehe S. 97.
103 Pohl, Awaren 239.
104 Kaiser, Churrätien 39 f.
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361