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86 Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen
den Römern nicht als Friedensbruch angesehen.133 Die Langobarden, die über die
Westalpen in Südgallien einfielen, waren nur an Beute interessiert, ebenso wie die
Slawen, die den Friaul verwüsteten und die Baiern, die Anfang des 7. Jh. gegen die
Slawen zogen. 134 Die Beutezüge der Baiern gegen Slawen hatten vielleicht auch
einen Gebietsgewinn zum Ziel, da in dieser Zeit die Territorien in den Ostalpen
noch nicht genau abgesteckt waren. Dasselbe gilt für die Angriffe der Franken in
Oberitalien.
Für die Verteidigung waren Wasserläufe weitaus besser geeignet als das Gebirge :
Breite Flüsse konnten von einer größeren Menge bewaffneter Menschen mit Pfer-
den oder anderem Vieh nicht ohne Weiteres überquert werden. Zusätzlich sind
Wasserläufe leicht zu überwachen. Die Römer hatten aus diesen Gründen die
Grenze weit über die Alpen hinaus an die Donau und den Rhein verlegt. Auch für
die Slawen waren Flüsse wichtig für die Grenzziehung. Gewässer waren zentrale
Siedlungsadern und so waren oft entweder die Flüsse selbst oder die jeweilige
Wasserscheide die Grenzzone.135 Dies kann man auch in Österreich beobachten,
wo die Wasserscheide bei Innichen der westlichste Punkt war, den die slawische
Eroberung in den Alpen erreichte.136 Auch in Salzburg war der Raum südlich des
Pass Lueg zwischen Salzach und Ennsquelle eine Grenzzone, wie die Zerstörung
der Maximilianzelle durch die Slawen zeigt.137 Als limes certus galt die Grenze zu
den Baiern entlang der Enns bei ihrem Zufluss in die Donau.138 Ebenso diente die
Raab im frühen Mittelalter und später immer wieder als Grenzfluss.139
Der Gedanke, dass die Grenze zwischen zwei Machtbereichen genau in der
Mitte eines Gewässers liegt, war bereits im römischen Recht vorhanden. Es ent-
spricht daher römischer Tradition, Herrschertreffen inmitten von Flüssen abzu-
halten. Große Gewässer dienten als eine Linie, die zu überschreiten eine klare
Grenzverletzung darstellte.140 Für das 9. Jh. sind sowohl der Rhein als auch die
133 Wolfram, Die Goten 264 und FN 31 : Eine antike Quelle meint, ohne öffentliche Kriegserklärung
seien Angreifer lediglich Banditen.
134 Paulus Diaconus Hist. Lang. III 8, IV 7, IV 10, IV 39 und IV 24 (Hier verbünden sich Slawen, Awa-
ren und Langbarden um das byzantinische Istrien zu plündern).
135 Strategikon des Maurikios X.4; Holzer, Landschaft und Siedlung 391.
136 Trad. Freis. ed. Bitterauf Nr. 34 S. 61.
137 BN 3.15 ed. Lošek 93.
138 Pohl, Awaren 308 ff.
139 Brunner, Herzogtümer und Marken 32, 93,183.
140 Pohl, Frontiers in Lombard Italy 252 und Awaren 145 ; Peyer, Gewässer, Grenzen und Märkte 6
und 17 ; Prokopios Bell. Got. II (VI) 29.1–2 : Norditalien wird zwischen dem Goten Witigis und dem
Kaiser aufgeteilt, der Po ist die Grenze.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361