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Grenzen in den Alpen 97
bewegen ohne Angst haben zu müssen, wieder gefangen zu werden : Die einzige
Gefahr war, sich in der Wildnis zu verlaufen.
Auch die Westgrenze des slawischen Raumes zwischen Aguntum und Innichen
blieb ein Übergangsraum ohne scharfe Grenzen. Erkennbar ist dies etwa an den
archäologischen Funden bei Aguntum. Obwohl diese Stadt etwa 20 km von der
(angenommenen) Grenze bei Mittewald entfernt und somit eindeutig ganz im sla-
wischen Territorium lag, konnten sich nicht nur eine starke romanisch-christliche
Bevölkerung und Kultur, sondern auch die christlichen Bauten der Höhenfestung
bei Lavant halten.199 Die Lavanter Kirche erhielt in der zweiten Hälfte des 7. Jh.
„zwei Kapitelle und eine Basis langobardischer Machart“.200 Eine Riemenzunge,
die am Kirchbichl gefunden wurde, hat ihr nächstes Vergleichsstück in einem
langobardischen Gräberfeld des 7. Jh. in Nocera Umbra in Italien.201 Dies zeigt
kulturelle Kontakte mit dem Süden202 und könnte auch ein Indiz dafür sein, dass
das Land südlich der Drau, wenn schon nicht langobardisch, so aber auch nicht
eindeutig im slawisch-awarischen oder fränkischen Machtbereich lag. Grenzraum
bedeutete auch im slawisch-awarischen Einflussbereich keinen Abbruch der Kul-
tur- und Handelskontakte.
Dennoch wurden die Aktivitäten des Nachbarn in diesen Zonen gut beobach-
tet. So war die Anfang 711/712 gegründete Maximilianzelle in Bischofshofen den
benachbarten Slawen schon bald ein Dorn im Auge und wurde daher zerstört,
obwohl sie in bairischem Territorium stand. Das Kloster wurde erst rund 30 Jahre
später wieder aufgebaut.203 820 stellte die Zelle wiederum ein Problem dar, denn
infolge des Aufstandes unter Liudewit wurde sie erneut niedergebrannt.204 Die
Errichtung eines herzöglichen bzw. bischöflichen Klosters verletzte vielleicht das
Grenzempfinden der benachbarten slawischen Herrschaft, der wohl bekannt war,
dass Klöster auch der Kontrolle eines Raumes dienten. Ob die Verantwortlichen
karantanische Fürsten waren oder nur die lokale Grenzmacht, lässt sich nicht mit
Sicherheit sagen. Auf Veränderungen in den Grenzregionen wurde jedenfalls re-
agiert.
199 Glaser, Frühes Christentum 145 ; Kainrath, Lavant 149 ; Alzinger, Aguntum und Lavant 117.
200 Stadler, Höhensiedlungen 277.
201 Ebd.
202 Karwiese, Ager Aguntinus 32.
203 Wolfram, Grenzen und Räume 108, 289. Eventuell war das Gebiet aber eben nicht eindeutig im
Territorium Baierns.
204 Wolfram, Grenzen und Räume 245 f. Interessanterweise wurde Innichen, ebenfalls an der Grenze
zu Karantanien gelegen, nicht niedergebrannt. Dies ist ein Hinweis darauf, dass Innichen jenseits
der Pufferzone lag, während Bischofshofen vielleicht innerhalb einer Region unklarer Zugehörig-
keit gegründet worden war und deshalb als Grenzverletzung wahrgenommen wurde.
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361