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98 Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen
Slawen galten als bergerfahrene Kämpfer und wurden gelegentlich gezielt als
Bergwächter eingesetzt. Die Protobulgaren siedelten Seweren als Passwächter ge-
gen die Byzantiner im Gebirge an. Zur Belohnung wurden sie von den Steuern
befreit.205 In den Gotenkriegen setzten die Byzantiner Anten ein, um in Lukanien
an den Engpässen des Gebirges den Feind zu überraschen „[…] denn diese Bar-
baren übertreffen alle anderen in ihren Fähigkeiten, auf schwierigen Gelände zu
kämpfen“.206 In den Ostalpen fallen in diesem Zusammenhang Ortsnamen auf, die
sich vom Namen der Kroaten ableiten lassen. Die Herkunft und Funktion der Kro-
aten ist nicht geklärt. Es könnte sich um eine awarische Kriegerschicht handeln,
die regional die Macht über polyethnische Verbände ausübte.207 Bei Spittal an der
Drau wird 1065 ein „mansum […] in loco Crouuat“ erwähnt, heute Kraut. Auch
der 1041 zum ersten Mal mit dem Namen „Chrowata“ erwähnte Ort Kraubath an
der Mur wird von den Kroaten hergeleitet.208 Das nahe liegende steirische Fohns-
dorf wird von dem awarischen Würdetitel „Ban“ abgeleitet.209 Ein „Kroatengau“
aus dem 10. Jh. findet sich an der Glan nördlich von Karnburg, im Zentrum des
Karantanischen Reiches.210 Daher könnte man mutmaßen, dass diese Kroaten als
Bergwächter fungierten. Urheber dieser Strukturen sind vielleicht die Awaren ge-
wesen, aber auch eine einheimische oder slawische Urheberschaft scheint denk-
bar.211
Ein weiterer Ortsname, der auf eine taktische Passsicherung deutet, ist das eben-
falls von „Ban“ ableitbare Fanning und der dazugehörige Fanningberg. Dieser liegt
2 km östlich des Passfußes vom Radstädter Tauern am Ausgang des Weißpriach-
tales nur scheinbar abgelegen : Da der Passweg über den Radstädter Tauern in die-
ser Zeit verfallen war, wurde der danebenliegende Weg über den Oberhüttensattel
genutzt, an dessen Ausgang Fanning liegt.212 Der nächste „Ban“-Ort ist Pfanns-
dorf bei Globasnitz. Er befindet sich nicht nur in der Nähe des antiken Zentrums
Iuvenna am Hemmaberg, sondern auch an der Straße zum nur 1.218 m hohen
205 Waldmüller, Die ersten Begegnungen der Slawen 404. (Theophanes AM 6171, ed. De Boor 359)
206 Prokopios Bell. Got. III (VII) 12.1–5, Übersetzung von der Autorin nach ed. Dewing 343.
207 Pohl, Awaren 266.
208 Hausner/Schuster, Altdeutsches Namensbuch 571.
209 Ebd. 187.
210 Wolfram, Grenzen und Räume 215 und 302 ; Brunner, Herzogtümer und Marken 67 ; Kahl, Der
Staat der Karantanen 85 ; DD O 1 Nr. 173, S. 254 f. und Nr. 221, S. 303 f.
211 Denkbar ist aber auch, dass diese Namen jünger sind und aus der Zeit der Kämpfe gegen die Un-
garn im 9. Jh. stammen. Allerding spricht für eine ältere Abstammung die geografische Nähe zu den
„Ban-Orten“.
212 Hausner/Schuster, Altdeutsches Namensbuch 343. Siehe S. 145.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361