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108 Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen
der Gegend von Meran stammte und daher das Gebirge kannte, basiert dieses
Ereignis wohl auf der Realität. Arbeo verwendet die Geschichte aber nicht, um
die Gefahren des Gebirges zu beschreiben, sondern um Gottes Gnade zu preisen.
An einer anderen Stelle nutzt er die Beschaffenheit der Gebirgslandschaft, um eine
Legende eindrucksvoller zu erzählen. Als dem Heiligen ein Esel gestohlen wird,
versteckt sich der Dieb in einer Schlucht, um dann von dem Tier nach einem bru-
talen Ritt durch die wilde Gebirgsvegetation wieder zu Corbinian zurückgeführt
zu werden.258 Das unwegsame Gebirge fungiert hier also als Bestrafung für einen
Frevler, die geschilderten Unannehmlichkeiten sind allerdings realistisch und das
Hochgebirge wird gar nicht erwähnt.
In all diesen Viten geht es vor allem um die Schilderung von Gottes Hilfe :
Schlechtes Wetter wird überwunden, wilde Tiere kommen den Menschen zu Hilfe
und Räuber werden bekehrt. Doch diese Dinge sind nicht gebirgsspezifisch, und
auch eine hügelige Wildnis ist nicht nur in den Alpen anzutreffen.
Dieser Rückgang der Verwendung des Topos der Alpen als furchtbarer Ort, auch
dort, wo der Autor sie eigentlich bewusst zur Überhöhung des Heiligen einsetzen
könnte, spiegelt sich auch in den weltlichen Texten. Sowohl bei Fredegar als auch
bei Gregor von Tours kann man nicht einmal das Wort „Alpen“ finden, obwohl
zahlreiche beschriebene Ereignisse dort stattfinden, als die Franken wie auch Lan-
gobarden im 6. Jh. wiederholt über die Alpen ziehen.259 Als Beispiel kann man
Gregor von Tours Beschreibungen der Kämpfe von plündernden Langobarden
gegen die Burgunder heranziehen. 572 finden zahlreiche Zusammenstöße in den
Alpen statt. Der Kampf des Burgunders Mummolus wird ausführlich geschildert.
Er bediente sich Taktiken, die nur im Gebirge möglich sind : Er umzingelte die
Langobarden, versperrte ihnen den Weg durch Blockaden und nutzte unwegsame
Wälder, um sie zu überraschen.260 Wenig später musste Mummolus erneut gegen
Langobarden kämpfen, diesmal belagerten die Plünderer Grenoble. Offenbar gab
es in dieser Stadt noch was zu holen, doch um die Verkehrsanbindung stand es
schlecht : Der Burgunder wusste nicht, wo die Isère zu überqueren war und erst ein
durch göttliche Fügung gesandtes Tier wies ihnen den Weg. Mummolus konnte
die Langobarden dann auf Berghöhen verjagen, wo sie durch unwegsame Wäl-
258 Arbeo von Freising, Vita Corbiniani c. 4, ed. Glaser/Brunhölzl 92 ff.: „[…] montium summitates
alt que convallium inriguas circumcisset, silvarum sita atque veprium densitates perambulasset“.
259 Auch bei Ereignissen in den Alpen wird das Gebirge nicht mit Namen genannt : Gregor von Tours
Hist. V 42 und 44 X 3. Die Pyrenäen werden sehr wohl als Einheit wahrgenommen : „Paereneos
montes“ bei Fredegar IV 33 und „Pirineis montibus“ bei Gregor von Tours Hist. V 33.
260 Gregor von Tours Hist. IV 42.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361