Seite - 111 - in Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
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Zusammenfassung 111
umfassten, ließen schließlich auch die Gebirgsregionen und weite Räume dahin-
ter Teil des Imperiums werden. Die Alpen wurden in Provinzen eingeteilt, Ver-
waltungszentren begründet sowie Passstraßen und Infrastruktur ausgebaut. Damit
zeichnete sich eine zunehmende organisatorische und kulturelle Anbindung eines
großen Teils des Alpenraumes an den Süden ab. In der Spätantike und unter König
Theoderich gehörten die Provinzen Raetia I und II sowie die beiden Noricum zur
Präfektur Italien. Die Westalpen ab dem Wallis und Aostatal blickten traditionell
eher nach Westen, Richtung Rhônetal, wo mit Vienne ein Zentrum Südgalliens
lag.
Nach dem Tode Theoderichs wurden die Übergänge der Alpen zu einem heiß
umkämpften Gebiet, denn die nördlich und östlich der Alpen herrschenden Mächte
strebten danach, ihren Herrschaftsraum Richtung Italien auszudehnen. Die Fran-
ken konnten im 6. Jh. kurzfristig den gesamten Alpenraum und Teile Oberitaliens
gewinnen. Später versuchten die bairischen Fürsten ihren Machtbereich, eventuell
mit fränkischem Auftrag, über den Alpenhauptkamm hinweg auszudehnen. Im
Jahr 568 zogen schließlich die Langobarden nach Italien und eroberten dort den
größten Teil des Landes. Im südlichen Alpenraum konnten sich einzelne byzanti-
nische Enklaven noch bis Anfang des 7. Jh. halten.
Die letzte bestimmende Macht für die Alpen trat um das Jahr 600 auf : Die
Awaren dehnten ihr Reich bis zum westlichen Ende des Drautales bei Aguntum
aus. Der Verwaltung des ehemaligen Binnennoricum oblag slawischen Gruppen,
die im 7. Jh. eine kulturelle und politische Umorientierung dieses Raumes und eine
Aufgabe der spätantiken Strukturen bewirkten. Doch schon im 8. Jh. wurde der
Ostalpenraum der bairischen Herrschaft untergeordnet. Mit dem Sturz Tassilos
Ende des 8. Jh. wurden die Fürsten des slawischen Reiches der Karantanen Teil
der fränkischen Hegemonie des 8. und 9. Jh., die zum seitdem letzten Mal aus den
Alpen eine politische Einheit machte.
Der genaue Verlauf der Grenzen zwischen den genannten Mächten ist kaum
zu rekonstruieren. Dies liegt zum Teil an den mangelnden Quellen, mehr aber
an dem anderen Grenzkonzept der Menschen des Frühmittelalters. Während das
Römische Reich der Theorie nach unendlich war, in der Praxis jedoch ausgeklü-
gelte Verteidigungskonzepte an den Flussgrenzen des Reiches anwandte, brachte
die heterogene Zusammensetzung der frühmittelalterlichen Herrschaften im Al-
penraum neue Verteidigungs- und Grenzsysteme hervor. Bedeutende Täler und
Alpenübergänge wurden mittels Höhenfestungen gesichert, die auch dem Schutz
der Bevölkerung dienten. Für diese großen Grenzfesten der Alpenausgänge wur-
den die Worte claustra, clusa oder clusura benutzt, hier wurden zumindest zeitweise
Ein- und Ausreisende kontrolliert. Die Grenzsicherung in diesen Zonen war hoch-
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361