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118 Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege
Die Wege der antiken und frühmittelalterlichen Alpentraversen wurden entlang
der Hänge angelegt, da die Niederungen sumpfig und überschwemmungsgefähr-
det waren.16 Bei den Straßen selbst handelte es sich im Gegensatz zu den aufwen-
digen Schotterstraßen der Römer um einfache, oft schmale Erdstraßen. Dort wo
die antike Wegführungen weiter genutzt wurde, blieb bald nur mehr der Unter-
bau übrig. Die Erhaltung erfolgte vorwiegend durch die Anrainer.17 Anders lag
die Sache bei den Hauptverbindungswegen, die für die Machthaber von größter
Bedeutung waren. In karolingischer Zeit war die Instandhaltung solcher Wege in
der Hand der Herrscher.18 Der Weg durch Churrätien war eine solche Königs-
straße und die Quellen verraten, dass dieser Alpenübergang mit Herbergen und
Ställen bestens ausgestattet war.19 Der darüber hinausgehende Organisationsgrad
des karolingischen Wegnetzes ist schwer zu erkennen. H. Weigel versuchte dies
anhand der Lokalisierung von Königsmaierhöfen, speziellen Dienstsiedlungen,
dem Martinspatrozinium und Forestis-Ortsnamen sichtbar zu machen. Auch Bo-
tenhufen (Sintmanneshufen) böten einen Anhaltspunkt. Als Ergebnis präsentiert
sich ein durchgehendes Straßennetz und Etappensystem.20 Dies freilich, so O. Cla-
vadetscher, würde den Einfluss des karolingischen Staates doch übertreiben.21 Das
Martinspatrozinium alleine reicht jedenfalls nicht aus, um die Anwesenheit einer
karolingischen Organisation anzuzeigen, da dieser Heilige von der Spätantike bis
in das Mittelalter hinauf besonders im Gebirge ein beliebter Heiliger war.22 In
Kombination mit anderen Hinweisen, etwa frühmittelalterlichen Kirchenbauten,
einer aussagekräftigen Herkunft von Ortsnamen und der Erwähnung von Orten in
erzählenden Quellen kann man zumindest rekonstruieren, welche Übergänge mit
allergrößter Wahrscheinlichkeit genutzt worden sind.
Die Ausdehnung der nordalpinen Mächte nach Italien brachte ab dem 8. Jh.
einen regen und intensiven transalpinen Verkehr : Bis zur Mitte des 8. Jh. dehnte
der bairische Herzog seinen Einflussraum über den Alpenhauptkamm bis in das
heutige Südtirol und Kärnten aus. Dies hatte einen regen Passverkehr herrschaftli-
cher und kirchlicher Vertreter nach und von diesen Gebieten zur Folge. Im Westen
war das Susa- und Aostatal schon ab dem endenden 6. Jh. in fränkischer Hand.
Im Jahr 774 konnte Karl der Große das Reich der Langobarden erobern und 788
16 Brunner, Herzogtümer und Marken 197 ; Csendes, Straßen 14 f.; Sauer, Straßen (Straßenbau) 522.
17 Csendes, Straßen 35 ff.
18 Schneider, Fränkische Alpenpolitik 41 ; LexMa SW „Straße“ (T. Szabó) Sp. 221.
19 Kaiser, Churrätien 174 ; BUB 394 (Reichsgutsurbar).
20 Weigel, Straßen, Königscentene und Klöster 7 ff.
21 Clavadetscher, Verkehrsorganisation 6 ff.
22 Siehe Kapitel „Patrozinien“ ab S. 184. Sociétés savantes de Savoie, Échanges et voayges 58 f.
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Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361