Seite - 122 - in Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Bild der Seite - 122 -
Text der Seite - 122 -
122 Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege
Eine mittelalterliche Heiligenstatue aus Holz und antike Münzen wurden etwas wei-
ter westlich am 3.301 m hohen Theodulpass gefunden (das Cover zeigt ein Stück
dieses Weges, genannt „trockener Steg“).35 Oben schon genannt wurde das ebenfalls
2.756 m hohe Schnidejoch sowie der 2.690 m hohe Lötschenpass, auf dessen Pass-
höhe im 15. Jh. sogar eine ganze Kriegerschar biwakierte. Funde von Gletscherlei-
chen aus dem Spätmittelalter und der frühen Neuzeit zeigen, dass auch vergletscherte
Übergänge durchaus begangen wurden.36 Derartige Höhen wurden jedoch nie zu
Hauptübergängen, da ihre Nutzungstage aus klimatischen Gründen vermindert sind
und alpine Gefahren wie Gletscherspalten oder ein Wettersturz durchaus tödliche
Konsequenzen haben können.
Die Anzahl der gut nutzbaren Wege ist daher in den nördlichen Westalpen im
Vergleich zum restlichen Gebirge stark reduziert, da hier die meisten Pässe auch
im Sommer nicht schneefrei sind. Weiter im Süden verlängert die Zickzackform
vieler Täler die Reise um einiges. Dagegen sind die Ostalpen der breiteste Teil der
Alpen, hier spaltet sich der Alpenhauptkamm in mehrere Gebirgszüge auf. Das
macht es immer notwendig, dass mehrere Pässe überschritten werden müssen.
Dafür hatte der Reisende eine große Auswahl an Möglichkeiten, da dieser Alpen-
abschnitt gleichzeitig der niedrigste ist und die meisten Übergänge im Verhältnis
zu den Westalpen nicht sehr hoch sind. Die zentralalpinen Übergänge, also die
Bündner Pässe, der Reschen und der Brenner sind topografisch am günstigsten :
Der Weg durch das Hochgebirge, aber auch durch die Alpen gesamt, ist hier am
kürzesten und führt nicht in große Höhen.
Die Höhe spielte für die Nutzung eines Überganges insofern eine Rolle, als sie
das Klima beeinflusste. Kälte und Niederschlag, auch in Form von Schnee oder dem
besonders widrigen Eisregen, konnten eine Querung sehr unangenehm machen.
Durch das lokale Klima kann jedoch ein hoher Pass bei günstiger Lage einfacher
begehbar sein als ein niedrigerer, aber ungünstig gelegener. Zusätzliche Faktoren,
die einen Pass für den frühmittelalterlichen Reisenden attraktiv machten, waren die
Wasserversorgung für Tier und Mensch sowie die lokale Vegetation, die den Trage-
tieren Futter bieten konnte.
Diese Faktoren wurden durch die Jahreszeit stark beeinflusst. Der Winter im
Gebirge galt als gefährlich und bot die Grundlage für den Topos der kaum über-
35 Sociétés savantes de Savoie, Échanges et voyages 60, die Statue wurde durch den Gletscher erhal-
ten. Dieser fast gletscherfreie Übergang vom Wallis in das Aostatal, der sogenannte „Trockene Steg“,
wurde vor allem durch die Walser ab dem 13. Jh. genutzt. Hier wurden auch Überreste eines Mannes
aus dem Ende des 16. Jh. gefunden, dem sogenannten „Söldner vom Theodulpass“. Hafner, Ge-
schichte aus dem Eis 160.
36 Hafner, Geschichte aus dem Eis 160 ff.
zurück zum
Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361