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138 Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege
gehen, wo der Inn sich durch reißende Strudel wälzt. Diese Stelle war vermutlich
bei Imst am Fuße des Fernpasses, denn dort in der Nähe befinden sich Strom-
schnellen des Inn. Da die Breonen im Inntal verortet werden können, bedeutet
das, dass die Baiern die Wege schon in den Voralpen blockierten. Ob die Breonen
und das Inntal nun unter bairischer Herrschaft standen oder nicht, ist für die Weg-
führung durch die Alpen unerheblich : Es reichte aus, das Alpenvorland ab Füssen
ostwärts unter Kontrolle zu haben, um zu verhindern, dass man den Reschenpass
und den Brenner nutzen konnte. Der Arlbergpass war im ersten Jahrtausend ein
schwer zu begehender Saumpfad mit nur lokaler Bedeutung.123 Genau in diesen
voralpinen Räumen und nicht in den Alpen selbst wurden später im 8. Jh. zahlrei-
che Klöster errichtet. An dem Ort, wo die antike Via Claudia Augusta Richtung
Imst und Reschen in die Alpen geführt hatte, wurde das Kloster Staffelsee gegrün-
det. Ein Zeichen, dass zunehmend der Brenner bevorzugt wurde, ist, dass sich die
Klostergründungen des 8. Jh. nicht dort, sondern weiter östlich bei Kochel am See
und Scharnitz konzentrierten. Diese liegen näher der Route über den Brenner.124
Dennoch galt der Weg über die Alpes Noricas um 700 noch als Nebenweg. Der
heilige Corbinian wollte vom Frankenreich nach Rom ziehen, er benutzte „[…]
nicht die öffentliche Straße, die man von Gallien aus zu nehmen pflegte, sondern
er wählte einen weniger begangenen, wenn auch beschwerlicheren Weg.“ 125, näm-
lich via Baiern und den Reschenpass. Als Hauptwege über die Alpen galten damals
der Große St. Bernhard und vor allem die Bündner Pässe.
Möglicherweise arbeiteten die Franken daran, sich trotz dieser ungünstigen
Umstände einen Weg nach Osten offenzuhalten.126 Ein Indiz dafür ist, dass der
Vinschgau Mitte oder Ende des 6. Jh. churrätisch wurde. Denn dieses Gebiet ge-
hörte ursprünglich nicht zur antiken Raetia I, dem späteren Churrätien.127 Doch es
gibt noch weitere Hinweise. Schon G. Löhlein fiel 1931 auf, dass die Knotenpunkte
dieser West-Ost-Verbindung, also Chur, Vinschgau und Meran, Säben, Aguntum
und Teurnia, im Gegensatz zum Inntal oder dem Voralpenraum oft in den Quellen
123 Pauli, Alpen 239. Der Pass wurde erst im 18. Jh. karrenfähig. Eitel, Die historische Verkehrsfunktion
des Bodenseeraumes 87.
124 Siehe Kapitel über die Klöster im Voralpenraum ab S. 228.
125 Lat. A : „Non iam publicam sibimet a Gallorum partibus arripiens callem, sed secretiorem quamvis
traduediam elegit tramidem ; se in Altemaniam contulit. Deinde Germanorum peragrans termina,
Valeriam penetrans […]“.
Lat. B : „Qui non iam publicam a Gallorum partibus arripiens callem, sed secretiorem eligens viam
Altemaniam pervenit, deinde Germaniam et sic Noricam veniens […]“. Arbeo von Freising, Vita
Corbiniani c. 15 ed. Glaser/Brunhölzl 108. Zum Raumnamen Valeria siehe S. 314 f.
126 Für das Inntal : Heitmeier, Inntal 326 ff.
127 Kaiser, Churrätien 35.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361