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140 Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege
ein alpennahes Gebiet nördlich des Gebirges und wird weiter unten genauer ana-
lysiert.134
Das Mittelstück war aus fränkischer Sicht der gefährdetste Teil dieser Querver-
bindung. Zunächst dürfte man im 6. Jh. versucht haben, die Baiern als „Passwäch-
ter“ des Reschen und Brenners einzusetzen.135 Vom Ende des 6. bis zum zweiten
Drittel des 8. Jh. verhinderten die zunehmend selbstständig agierenden Baiern und
die langobardischen Aktivitäten am Südabhang der Alpen das Durchkommen.
Dennoch verloren die Franken den Weg nie aus den Augen, denn sofort nach
der Eroberung des bairischen Herzogtums und des langobardischen Königreiches
Ende des 8. Jh. wurde diese Route ausgebaut. Dies zeigen zum Beispiel die ka-
rolingischen Bauten aus dieser Zeit beim Ofenpass (Müstair) und im Vinschgau
(Naturns, Mals).
Vielleicht gab es auch schon früher Versuche, diese Wege wieder zu beherr-
schen. Wenn man bestimmten westbairischen Adelsgruppen und dem Bistum
Freising eine Affinität für das fränkische Königshaus unterstellt136, so erscheint die
Gründung der Klöster im östlichen Zentralalpenraum um die Mitte des 8. Jh. als
logische Konsequenz dieser Politik. Die Kontrolle der Verkehrswege mittels großer
Klöster war ein „Trend“, der aus dem fränkischen Alpenraum kam.137 In diesen
Kontext könnte man auch die Gründung von Innichen im Jahr 769 stellen. Die-
ses Kloster lag am äußersten Ende des Pustertales, genau an der Stelle, wo ein
Weg über den Kreuzbergpass nach Venetien führte. Die Route über das Cadore
nach Oberitalien entsprach der antiken Via Claudia Augusta Altinate. Der Konvent
dürfte das Pustertal als „norisch“ empfunden haben, denn er schreibt, dass man nach dem Besuch
des heiligen Valentin in Meran „Norica rura petens, ubi Byrrus vertitur undis“. Man strebt also
Richtung Noricum, wo die Rienz fließt, also in das Pustertal. Venantius Fortunatus Vita S. Martini
Lib. IV MGH Auct. ant. 4.1, S. 368.
134 Ab S. 314 f.
135 Wolfram, Salzburg, Bayern, Österreich 38 ff., vielleicht handelte daher das bairische Heer, das um
610 in Aguntum gegen Slawen und Awaren kämpfte, in fränkischem Auftrag. Damit steht dann
vielleicht auch die Aufgabe des Traumes von Columban in Zusammenhang, die Slawen zu missio-
nieren. Jonas Vita Columbani I 27 MGH SS rer. Merov. 4, S. 104.
136 Wolfram, Mitteleuropa 148 f. und Grenzen und Räume 127 zur Wahl des fränkischen Patroziniums
Dionysius des Klosters Scharnitz „[…] die fränkische Ausrichtung stand in einem gewissen Gegen-
satz zur agilolfingischen Zuordnung“ ; Störmer, Fernstraße und Kloster 312 und 339 ff.; Bosl, Die
Gründung Innichens 414.
137 St. Maurice am Großen St. Bernhard steht hier am Anfang, 726 wurde dann Novalesa reich aus-
gestattet. Auch die Gründung von Disentis dürfte in diese Zeit fallen. Im Gegensatz dazu wurden
große Klöster im östlichen Alpenvorland erst im letzten Drittel des 8. Jh. gegründet. Die sehr frühe
Stiftung (711) der Maximilianzelle in Bischofshofen erwies sich aufgrund der Angriffe der benach-
barten Slawen zunächst als nicht lebensfähig. Siehe Kapitel „Klöster in den Alpen“ ab S. 219.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361