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144 Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege
ner Tauern (um 2.400 m)155 und ein Pilgerpfad über die Arlscharte (2.252 m).
Diese Übergänge sind alle über 2.000 m hoch, die Zugänge sind aber recht ein-
fach. Daher wurden sie schon in der Antike gerne genutzt, wie die Herkulesstatue
am Hochtor und die römische Straße sowie die Funde am Nassfelder Tauern
zeigen.156 Da diese Wege auch im hohen Mittelalter für den Handel sehr wich-
tig waren, ist eine kontinuierliche Begehung auch für das frühe Mittelalter anzu-
nehmen.157 Nach der Querung über einen dieser Tauernpässe führte die kürzeste
Route nach Innichen weiter, von dort über den Kreuzbergpass158 und das Cadore
nach Oberitalien.
Eine weitere, ebenfalls sehr kurze Variante ging über das in der Spätantike ver-
hältnismäßig oft erwähnte Aguntum, den Plöckenpass und den antiken Iulium
Carnicum, heute Zuglio, in das Friaul. Dass der Plöckenpass und die Übergänge
in der Umgebung in der Spätantike und im frühen Mittelalter beliebt waren, zeigt
die Konzentration von frühmittelalterlichen castra und Siedlungen am südlichen
und nördlichen Ausgang dieser Pässe. Auch Venantius Fortunatus nutzte höchst-
wahrscheinlich den Plöckenpass, da die beiden in seiner Schrift erwähnten Orte
Aguntum und Osoppo durch diesen Übergang am schnellsten miteinander ver-
bunden werden.159 Dass dabei manchmal über 1.500 Höhenmeter mehr überwun-
den werden mussten als bei der Querung über die niedrigsten Pässe, machte die
Abkürzung von zwischen 30 und 80 km mehr als wett.160
Problematisch für diese Routen war, dass mit Aguntum die Drehscheibe dieser
Übergänge spätestens ab dem beginnenden 7. Jh in slawischer Hand war. Noch
769 wurde das in diesem Jahr gegründete Kloster Innichen als an der Grenze zu
den Slawen liegend beschrieben.161 Allerdings zeugen zahlreiche Hinweise davon,
dass einheimische, spätantike Strukturen weiter sehr stark waren, denn auf der
spätantiken Kirche des spätantiken Aguntum steht heute immer noch ein Nach-
155 Die Gasteiner Tauern fungieren hier als Sammelbegriff für die Übergänge in das Gasteiner Tal :
Korn tauern/Hohe Tauern und Nassfelder/Mallnitzer/Niedere Tauern. Klein, Beiträge 279.
156 Lippert, Hochalpine Altstrassen 20 f.; Fischer, Noricum 120 f.; Grabherr, Michlhallberg 99 ff.
157 Klein, Beiträge 434 ff.
158 Der 1.636 m hohe Kreuzbergpass in Italien ist nicht mit dem 1.074 m hohen Kreuzbergsattel in
Kärnten, zwischen Hermagor und Greifenburg/Drau zu verwechseln.
159 Venantius Fortunatus Vita S. Martini Lib. IV MGH Auct. ant. 4.1, S. 368 : „Per Drauum itur iter, qua
se castella supinant. Hic montana sedens in colle superbit Aguntus“ ; Bierbrauer, Die germanische
Aufsiedlung 19 f. und Abbildung 5 a.
160 Bei einer angenommenen Leistung von etwa 400 Hm pro Stunde und 30 km pro Tag bedeutet
ein um 1.000 m höherer Pass einen Mehraufwand von etwa 2,5 Stunden, im Vergleich zu einem
Umweg von z. B. 20 km, der eine 5 Stunden längere Gehzeit bedeutet, also das Doppelte !
161 Trad. Freis. ed. Bitterauf Nr. 34 S. 61.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361