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148 Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege
und die meisten Pilger und Pilgerinnen auf dem Weg nach Italien und Rom einen
Umweg bedeutet hätte.181
Innerhalb der Alpen entstanden nun Ansiedlungen, die an strategisch wich-
tigen Punkten gegründet wurden. Am Neumarkter Sattel, der Verlängerung der
Pyhrnroute in den Karantanischen Raum, wurden karolingische Flechtwerksteine
gefunden,182 unmittelbar daneben befindet sich ein „Baierdorf“. Diese „Baierdör-
fer“ können vom Ethnonym „Baiern“ abgeleitet werden und weisen auf eine An-
siedlung oder Besitz von Menschen aus dem nördlichen Alpenvorland in einer
Zeit, als sich der Großteil der Bevölkerung im Gebirge eben nicht als „bairisch“
wahrnahm. In den meisten Fällen treten diese Dörfer erst im hohen Mittelalter in
den Quellen auf. Die auffällige Verteilung von „Baierdörfern“ an wichtigen Kreu-
zungspunkten und strategischen Orten entlang der Alpentraversen legen eine Ver-
bindung mit dem alten Wegenetz nahe.
Die frühere, slawisch-awarische Organisation ist ebenfalls an den Ortsnamen
erkennbar. Die Siedlungen, die von dem awarischen Herrschaftstitel „Ban“ abgelei-
tet werden können, dürften aus dem 7. Jh. stammen und liegen an Knotenpunkten
der alpinen Übergänge (siehe Abbildung 9, S. 99). Dies lässt vermuten, dass auch
die slawisch-awarische Herrschaft des 7. Jh. die Wege über die Alpen nutzten und
nicht verfallen ließen. Die meisten der Orte, die ihre Ursprünge in dem Ethnonym
„Kroaten“ haben, befinden sich ebenfalls an wichtigen Wegekreuzungen.183 Sie
wurden sicher vor dem 10. Jh. gegründet. In Krungl, Hohenberg und Micheldorf
wurden Gräberfelder aus dem 8. und 9. Jh. ausgegraben. Einige Männergräber
zeigen die für das Karantanien dieser Zeit typische Kombination aus awarischer
Gürtelgarnitur und fränkischen Waffen.184 Hier könnte es sich ebenfalls um Reste
einer Passorganisation handeln.
Dass der Radstädter Tauern bald seine antike Bedeutung wieder aufnehmen
konnte, zeigt eine Urkunde aus dem Jahr 1002, in der König Heinrich II. dem
Erzbischof von Salzburg ein Gut in Lungowe (Lungau) mit tabernis und theloniis,
also Wirtshäusern und Zöllen, schenkt. Hiermit ist wohl Mauterndorf gemeint.
Dieser Ort wird noch vor dem Brenner als Mautstation genannt und ist damit die
181 Klein, Beiträge 279 ff.
182 Karpf, Frühe Eigenkirchen 896.
183 Siehe dazu auch den Abschnitt „Slawisch-awarische Grenzstrukturen“ ab S. 95. Haus ner/Schuster,
Altdeutsches Namensbuch 571, 187 ; Wolfram, Grenzen und Räume 215 und 302 ; Brunner, Herzog-
tümer und Marken 67 ; Kahl, Der Staat der Karantanen 85.
184 Szameit, Zum archäologischen Bild der frühen Slawen 523 f. Eine genauere Analyse der Funde fin-
det sich ab S. 336.
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Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361