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152 Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege
karolingische Zentrum Mosapurc bei Zalavar.199 Die Route durch die Alpen war
damit wohl die schnellste Verbindung mit dem Osten.200 Spätestens bei Poetovio/
Ptuj war dieser Weg Teil der großen Handelsrouten über den Balkan nach Kons-
tantinopel. Der schon erwähnte „Pilger von Bordeaux“ folgte im Jahr 333 ab dem
Hrušica nach Celeia/Celje und Poetovio/Ptuj der Drau, bis der Weg Richtung Sir-
mium nach Süden abbog und dann über Sofia und Plovdiv nach Istanbul/Konstan-
tinopel führte.201 Für die hier weiter südlich liegende Save kann man eine ähnliche
Verkehrsfunktion annehmen.202
Die günstige Lage der Bündner Pässe an den Wasserstraßen – im Norden
Bodensee, Rhein und Walensee und im Süden Lago Maggiore, Luganer See und
Comer See – war sicherlich für ihre Bedeutung im frühen Mittelalter verant-
wortlich. Im Zentralalpenraum wurde der Inn als Verkehrsweg genutzt, wie zum
Beispiel in der Vita des Corbinian und der Vita des Severin belegt ist.203 Im Süden
wird für das Etschtal vermutet, dass der Wasserweg bis nach Terlan/Blumau ca.
8 km nördlich von Bozen zumindest mit Flößen befahrbar war. Es gibt deutliche
Hinweise darauf, dass in römischer Zeit auch flussaufwärts getreidelt wurde, da
sich im Etschtal Marmor aus der Poebene fand. Vor allem der lokale Handel,
etwa mit dem Wein des Tales, wurde über den Wasserweg abgewickelt.204 In
Oberitalien waren es vor allem der Po und seine Zuflüsse, die als Handels- und
Versorgungswege für die anliegenden Städte dienten. Der Fluss wurde in der
Spätantike genutzt, um alpines Lärchenholz zum Schiffbau nach Ravenna zu ver-
frachten, und in langobardischer Zeit, um byzantinische Luxusgüter flussaufwärts
zu schaffen.205 Auch für den Personenverkehr wurden die Wasserwege genutzt,
wie der Bericht von Sidonius Apollinaris zeigt, der nach der Alpenquerung via
Lago Maggiore und Ticino den Po entlang nach Ravenna reist.206 Im Norden
199 Wolfram, Conversio 134 ff.
200 Mc.Cormick, European Economy 555ff.
201 Der Pilger von Bordeaux, ed. Donner 45 ff. Er ging den ganzen Weg nach Jerusalem zu Fuß.
202 Freising hatte Güter an der Save und verfügte mit Innichen über einen wichtigen Stützpunkt ent-
lang der Route nach Osten. Brunner, Herzogtümer und Marken 165.
203 Arbeo von Freising, Vita Corbiniani c. 44 ed. Brunhölzl 155 ; Eugippius, Vita s. Severini c. 3.
204 Bassi, Der Wasserweg der Etsch 85 ff.
205 Harris, Trade on the River Po 125 ff. Der Po dürfte erst ab der Spätantike als lokale Handelsroute
genutzt worden sein. Brogliolo/Posseti, Aktuelle Forschungen 449 ff.
206 Sidonius Apollinaris Epist. I, V an Herenius. „[…] sic Alpium iugis appropinquatum, quarum mihi
citus et facilis ascensus et inter utrimque terrentis latera praerupti cavatis in callem nivibus itinera
mollita. Fluviorum quoque, si qui non navigabiles, vada commode vel certe pervii pontes, […]
Ticini cursoriam (sic navigio nomen) escendi, qua in Eridanum brevi delatus […]“. Er reist von
Lyon überdie Alpen, schifft sich in Pavia bzw. Ticino ein und verfolgt den Wasserweg nach Ra-
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361