Seite - 154 - in Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Bild der Seite - 154 -
Text der Seite - 154 -
154 Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege
Höherwertige Keramik wurde in Binnennoricum noch bis zum Ende des 6.
Jh. importiert, wie man in den Höhensiedlungen an den Funden von bestimm-
ten Keramiktypen ablesen kann.213 Dieser Handel von Keramik aus spezialisierten
Großbetrieben ging allerdings bald in ganz Europa zurück und verschwand in
vielen Regionen ganz. Ebenso wurde Meersalz nicht mehr in die Binnenregionen
vertrieben.214 Die meisten Waren konnten leicht durch einheimische Produkte er-
setzt werden. Dies gilt nur eingeschränkt für Wein, der in der christlichen Liturgie
dringend gebraucht wurde. Da auch hier der Fernhandel keine großen Mengen
mehr transportierte, gab es vermehrt lokalen Anbau von Wein auch in klimatisch
wenig geeigneten Regionen in den nördlichen Voralpen, etwa am Attersee.215 Die
Qualität wird weniger gut gewesen sein. Als sich daher den bairischen Klöstern
der Karolingerzeit die Möglichkeit bot, Weingüter an den Südhängen der Alpen zu
erwerben, wurde diese trotz des umständlichen Transportes genutzt.216 Salzburg
konnte sich schon im 8. Jh. Weinberge an der Donau sichern.217
Für die Handelsprodukte der Alpen, auf die unten genauer eingegangen werden
wird, ist es schwierig zu sagen, inwieweit sie auch nach dem Verfall der römi-
schen Struktur weiterverhandelt wurden. Die Rohstoffe der Alpen scheinen zu-
mindest auf lokaler Ebene weiter abgebaut bzw. verarbeitet worden zu sein. Die
meisten typischen Produkte des Gebirges waren organisch und sind dementspre-
chend schwer nachzuweisen : Wolle, Käse, Tiere und Tierhäute, Honig, Wachs
und Wein.218 Letzterer wurde im Mittelalter nicht mehr in Amphoren, sondern in
schwer nachweisbaren Holzfässern oder Lederschläuchen transportiert.219
Viele Luxusprodukte des transalpinen Handels sind vergänglich, wie beispiels-
weise Öl, Gewürze, edle Pferde und feines Gewebe.220 Die einzigen Objekte, die
daher als Indizien für den Warenaustausch über die Alpen dienen können, sind
Waffen und andere militärische Ausrüstungsteile, Münzen und Luxusprodukte
wie Schmuck und Geschirr. Besonders für Letzteres gilt, dass hier die Laufzeit
sehr schwer zu bestimmen ist, da diese Dinge sehr lange in Verwendung blei-
ben konnten. Ein Beispiel dafür ist das sogenannte koptische Tafelgeschirr. Diese
213 Ladstätter, Die materielle Kultur 117 und 206 f.
214 Siehe Kapitel „Salz“ ab S. 161.
215 Breves Notitiae 14.42 ed. Lošek 112.
216 Benediktbeuren : Störmer, Fernstraße und Kloster 304 ; Salzburg : Krawarik, Siedlungsgeschichte
134.
217 Breves Notitiae 2.10 ed. Lošek 90.
218 Grabherr, Händler und Legionäre 50.
219 LexMa „Alpenpässe“ (H.C. Peyer) ; Haldimann, Der Handel 97.
220 Sociétés savantes de Savoie, Échanges et voyages 64.
zurück zum
Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361