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Fernhandel 155
bronzenen Stücke stammen aus dem ägyptischen oder ostmediterranen Raum
und wurden etwa in den Prunkgräbern unter dem Kölner Dom entdeckt. Da-
tierbar ist diese Handelsverbindung schon ab der Zeit vor den langobardischen
Eroberungen im Jahr 568. Diese Stücke wurden sehr wahrscheinlich über die
Alpen gehandelt. Eine in römischer Zeit oft genutzte Alternative zur Querung des
Gebirges war der Transport der Güter auf dem Wasserweg, also der Donau, die
durchaus auch in dieser Zeit noch als Handelsstraße funktioniert haben könnte.221
Die politische Situation spricht aber eher für die Route über die Alpen. Auch die
Münzfunde zeugen von den weitverzweigten Handelsverbindungen, die durch
die Alpen führten.222 Die Bündner Pässe scheinen wichtig für die Verbreitung ita-
lischer und westbalkanischer Artefakte byzantinischer Fasson aus dem 6.–7. Jh
gewesen zu sein. Italisch-byzantinische Körbchenohrringe erfreuten sich bei-
spielsweise bei den hochadeligen Frauen jenseits der Alpen größter Beliebtheit.223
Diese Produkte kamen vielleicht auch durch den „Quergang“ beim Pustertal nach
Norden. Die Funde awarischer Herkunft, die Ende des 6. Jh. in alemannischen
und bairischen Reihengräberfriedhöfen auftauchen, sind von der Herkunft her
sehr schwer zu beurteilen. Sie könnten über das Mitteldonaubecken oder über
Italien und die Verkehrswege der Alpen in den nördlichen Voralpenraum gelangt
sein.224
Internationale Verbindungen sind an dem Grab jener Frau ersichtlich, die in
Gütting Mitte/Ende des 6. Jh. bestattet wurde : Sie ließ offenbar „[…] kaum eine
Gelegenheit [aus], ihre Pretiosen-Sammlung beständig wahllos anzureichern“.225
Dass so ein Grab ethnisch nicht zu bestimmen ist, versteht sich. Auch die Art der
Vermittlung dieser Stücke ist kaum zu rekonstruieren : Handelt es sich um per-
sönliche Beziehungen, Handel, Beutestücke oder stammt die Frau vielleicht sogar
selbst aus einem der Herkunftsräume ihres Schmuckes ? Im alemannischen Raum
lassen sich in Gräbern reicher Adeliger weitreichende Verbindungen ablesen. Die
Gegenstände, etwa langobardische Schilde, dürften eher als Folge persönlicher
Beziehungen oder Heerzüge in den Besitz der Personen gekommen sein. Ande-
221 Menke, Alemannisch-italische Beziehungen 271.
222 Ebd. 243 ; Rizzolli, Völkerwanderungszeitliche Geldwirtschaft 286 ff. über die Münzhortfunde des
heutigen Tirol und Südtirol ; Hahn, Der langobardenzeitliche Münzschatzfund von Aldrans in Ti-
rol ; dies gilt besonders für die karolingische Zeit, McCormick, European Economy 681 ff.
223 Drauschke, Zur Herkunft und Vermittlung 367 ff., insbesondere 392, 403. Viele der „byzantinischen“
Formen sind freilich Nachahmungen, dies ändert aber nichts daran, dass zumindest die Vorlagen
über die Alpen gekommen sein mussten.
224 Menke, Alemannisch-italische Beziehungen 266.
225 Ebd. 287.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361