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158 Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege
Dies geht aus einem Brief hervor, in dem Alkuin den Bischof Remigius von Chur um
einen Gefallen bittet. Alkuins Gesandter, der Waren aus Italien besorgte, sollte nicht
nur Schutz gewährt, sondern auch von den Zöllen befreit werden.240 Ansonsten be-
zeugen die zahlreichen „internationalen“ Münzen einen Fernhandel durch die Rhein-
täler, unter anderem wurden arabische Dirhems und angelsächsische Denare aus den
8. Jh. gefunden.241 Für die Ostalpen gibt es wenig vergleichbare Quellen. Einige Ein-
blicke in die karolingischen Handelswege des Ostalpenraumes gibt uns die Raffelstet-
ter Zollordnung aus dem Jahr 902/906. In diesem Weistum werden die Zollrechte an
der Grenze zu den orientales partes geregelt. Die Zollstätten liegen entlang der Donau
im Raum des heutigen Oberösterreichs, unter anderem am Ennsübergang. Bei Mau-
tern werden ein Salzmarkt sowie eine Maut erwähnt.242
Ab Anfang des 7. Jh. bringen die Awaren wieder ein starkes steppennomadi-
sches Element nach Mitteleuropa. Geschirr, Waffen und Schmuck wurden von
diesen Nachbarn übernommen. Bei den Pferden aus Gräbern im alemannischen
Raum wurden die Spuren einer eingekreuzten Araber-Rasse festgestellt, Zeichen
für Kontakte in den Orient. Vielleicht wurde sogar ein reinrassiges Araberpferd
in den mittleren Voralpenraum importiert, allerdings ist die tatsächliche Route
unklar.243 Die Handelswege Osteuropas sind es, die byzantinische und später
arabische Münzen Richtung Mittel- und Nordeuropa und an den Ostalpenrand
brachten. Bei Petronell gibt es zahlreiche Funde, die darauf hinweisen, dass die-
ser Ort ein wichtiger Handelsmittelpunkt war. Unter anderem wurden byzanti-
nische Münzen des Kaisers Justinus (575/6) gefunden, die wohl einige Zeit nach
ihrer Prägung in die Erde gekommen waren. Andere Funde zeigen eine arabische
Fortsetzung dieses Handels.244 Die damals gängige Währung für den Fernhandel,
Lösegelder und, falls noch eingefordert, Steuergelder war der Goldsolidus. Dieser
wurde nach byzantinischem Vorbild geschlagen. Zahlreiche Hortfunde aus dem 6.
und 7. Jh. im Zentralalpenraum zeigen, dass auch in dieser Region der Geldverkehr
zumindest für reiche Leute funktionierte. Möglicherweise wurden Goldmünzen
sogar bei Trient oder im breonischen Raum gefertigt.245
240 Alcuini Epistolae 77 MGH Epp. 4 (Epistolae Karolini Aevi II), S. 119 und BUB Nr. 21, S. 25 ; Kaiser,
Churrätien 224 f.
241 Kaiser, Churrätien 225 ff.
242 Mitterauer, Wirtschaft und Verfassung in der Zollordnung von Raffelstetten 346 ; MGH, Capit. II,
S. 250 ff.
243 Menke, Alemannisch-italische Beziehungen 319.
244 Mitterauer, Markt und Stadt im Mittelalter 142 f.; McCormick, European Economy 375.
245 Rizzolli, Völkerwanderungszeitliche Geldwirtschaft 283 ; Hahn, Der langobardenzeitliche Münz-
schatzfund von Aldrans in Tirol.
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361