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160 Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege
den großen Wegen vom Säumen und profitierten daher durchaus vom Verkehr
über die Alpen.255 Anfang des 10. Jh. wird in der Vita des heiligen Gerald von Au-
rillac beschrieben, dass bei seinen zahlreichen Romreisen die sogenannten Marruci
sein Gepäck über die Höhen des Großen St. Bernhard trugen.256 Dieses Wort und
später Marron für Bergführer sind sehr alte Alpenworte und können von marra
abgeleitet werden, das von Tirol bis in die Provence vorkommt und „kleinsteinige
Geröllhalde“ bedeutet. 1273 bekamen die Bewohner der Orte Étroubles und St.
Rhemy im Aostatal das alleinige Recht zur marrounage, also zum Säumen, über den
Großen St. Bernhard.257
Da sich im Verlauf des frühen Mittelalters in einigen Passräumen die Verkehrs-
achsen verlagert hatten, sind die Strukturen auf den neuen Routen zunächst noch
schwer fassbar. Zusätzlich wandelte sich der Schwerpunkt der Routen im Hoch-
mittelalter und in der Neuzeit erneut und mancher Übergang wurde wieder ver-
gessen. Es wurden neue Wege eröffnet, was einige alpine Durchgänge wieder zu
Nebenwegen machte. Ein Beispiel dafür ist der Sankt Gotthard, der ab dem 13.
Jh. die danebenliegenden Pässe Greina, Lukmanier oder Griespass ablöste. Nur
selten kann daher die Bedeutung eines frühmittelalterlichen Weges noch so gut
erschlossen werden, wie beispielsweise der Querweg Churrätien–Vinschgau, wo
die karolingischen Kirchenbauten und Fresken noch heute zu bewundern sind und
von der einstigen Nutzung erzählen.
In den Ostalpen brachte Ende des 1. Jahrtausends der Levantehandel einen
erneuten Aufschwung des Handels. Dieser brachte ganz neue Routen durch die
Alpen, wie den Schrägen Durchgang durch das Kanaltal und über den Semme-
ring. Aber auch die Wege über die Hohen Tauern wurden wieder wichtig, falls sie
überhaupt jemals an Bedeutung verloren hatten.258 Die Wichtigkeit des Venediger
Handels bedingte es auch, dass einige Handelsplätze eine Aufwertung erfuhren.
Ein Beispiel ist Cortina d’Ampezzo am Weg von Venedig nach Augsburg, das da-
mit zum wichtigsten Handelsumschlagplatz der Region wurde.
255 Pauli, Alpen 245 ; eine Beschreibung der Führtätigkeit der Einheimischen findet sich z. B. bei Am-
mianus Marcellinus XV 10.4.
256 Vita Sancti Geraldi II 17/68.
257 Tillier, La franchigie 12 ff.; Rousset, Au pays de la Meije 123.
258 Csendes, Straßen 82 ; Sociétés savantes de Savoie, Échanges et voyages 68 ; Brunner, Herzogtümer
und Marken 221.
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361