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170 Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege
Der Zusammenbruch der römischen Ordnung veränderte die Bedingungen für
diese Pässe. Die römischen Straßenbauten verfielen vielerorts schnell – beispiels-
weise die Kunterschlucht nach Klausen zwischen Bozen und Säben oder der la-
winengefährdete Radstädter Tauernpass. Dieser Verfall resultierte aber nicht nur
aus mangelnden Mitteln oder fehlendem Know-how der nun für die Straßen ver-
antwortlichen Anrainer. Die Heere bestanden nun vor allem aus sehr mobilen
Truppen. Fahrwege gab es auch im flachen Land nicht mehr viele, Reisende waren
ohnehin zu Fuß unterwegs oder auf Lasttiere umgestiegen. Die aufwendigen römi-
schen Straßenbauten wurden meist nicht mehr gebraucht, der Verfall der Straßen
hatte daher nur wenig Einfluss auf den Verkehr über die Alpen.
Eher beeinträchtigt wurden die Alpentransversalen durch die politischen Gege-
benheiten. Teile der Passsysteme waren gerade vom 6. bis 8. Jh. oft Teil von Grenz-
streitigkeiten, Plünderungszügen und Kriegen, im 10. Jh. verunsicherten Sarazenen
und Ungarn die Routen. Die Reisenden wichen daher auf nicht so gefährdete Wege
aus. So ersetzte zunehmend der Montgenèvre den Mont Cenis. Für die Priester
Salzburgs waren die Wege durch die Ostalpen aufgrund der slawisch-awarischen
Eroberungen wohl gesperrt, genauso wie der fränkische Dichter Venantius For-
tunatus nicht den kürzesten Weg durch die Alpen ging, sondern fast die gesamten
Zentralalpen queren musste, um feindliches Gebiet zu vermeiden.
Trotz dieser Hindernisse entwickelte sich ab dem 7. Jh. ein reger Verkehr von
Pilgern und Pilgerinnen vor allem von den Britischen Inseln, der sich vor allem in
den Westalpen und an den Bündner Pässen nachweisen lässt. Auch der Handel
dürfte nicht nur im Westen sondern auch in den Ostalpen weiter stattgefunden ha-
ben. Die Kontinuität der Orte und christlichen Bauten im Raum Lienz (Aguntum),
das ja Teil der slawischen Herrschaft war, wie auch der romanischen Bevölkerung
des Voralpenraums sind ein Zeichen für stete Wichtigkeit der Alpenrouten, denn
die Einheimischen wussten, wie der Verkehr zu organisieren war. Im Laufe des
8. Jh. wurden zunehmend Klöster an den Wegen über die Alpen gegründet : Sie
waren Zeichen der Herrschaft und zunehmend für die Organisation des Verkehrs
über die Alpenpässe verantwortlich. Gleichzeitig wurden sie oft vom Zoll befreit.
Zusätzlich hatten die Konvente neue Routen eröffnet, wie zum Beispiel der Luk-
manier erst durch die Gründung von Disentis praktikabel wurde und der Ofenpass
erst durch Müstair.
Nur untergeordnete Bedeutung hatte die Höhe und das Klima der Passhöhen.
Viele Übergänge wurden auch im Winter überschritten und es gibt auch erstaun-
lich hohe Pässe, an denen es Spuren menschlicher Nutzung gibt. Der Fernverkehr
nutzte eher die Übergänge, die am besten mit Herbergen ausgestattet waren und
die schnellste Querung des Gebietes ermöglichten.
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361