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176 Menschen in den Alpen
Die Achse Churrätien–Binnennoricum–Pannonien (über Vinschgau, Eisack-,
Puster- und Drautal und das Kärntner Becken querend) verfügte also über ein
ähnlich dichtes Netz an Bistümern wie die Westalpen. Dazu sind auch zahlreiche
Kirchenreste aus der Spätantike erhalten.22 Für die Täler nördlich des Alpenhaupt-
kammes ist dagegen bis auf das an der Donau liegende Lauriacum/Lorch kein
einziges Bistum überliefert, obwohl die Vita des Severin von einem durchgehend
christlichen Ufernoricum erzählt. Da sich üblicherweise zumindest in den offiziel-
len civitates ein Bischof befand, könnte man daher neben den oben genannten Sit-
zen auch Bischöfe in Salzburg/Iuvavum, St. Pölten/Cetium oder Flavia Solva ver-
muten. Allerdings fehlt dafür jeder Hinweis. Ein richtiggehender „weißer Fleck“ in
der christlichen Topografie der Alpen ist das Innere der Ostalpen, also die Täler
und Seitentäler der Salzach, der Enns, der Mur und der Mürz. Hier gibt es weder
eindeutig christliche Funde noch entsprechende Quellen.23 Gelegentlich wird dort
ein kaiserlicher Bergwerksbezirk vermutet, der das Fehlen von civitates und damit
der Bistümer erklären könnte, genauere Informationen fehlen jedoch.24
Neben Lauriacum/Lorch befanden sich im nördlichen Voralpenraum und
Schweizer Mittelland die antiken Bistümer von Vindonissa/Windisch, Avenches
sowie Augusta Raurica/Kaiseraugst, das vielleicht schon im 4. Jh. bestanden hatte.25
Nicht weit entfernt davon lag das im frühen Mittelalter sehr wichtige Bistum Genf,
das für die Alpen insofern bedeutend war, als es an dem Verbindungsweg über
den Großen St. Bernhard lag. Diese Bischofssitze waren dem Erzbistum Lyon
zugeordnet. An der Wende zum 7. Jh. wurde das Bistum Konstanz gegründet. Ein
weiteres nordalpines Bistum ist Augusta Vindelicum/Augsburg, ein spätantiker Bi-
schof ist hier nicht gesichert.26 Wie Lauriacum/Lorch war es mit höchster Wahr-
scheinlichkeit dem Patriarchat Aquileia untergeordnet.
Wieder relativ viele Bischofssitze gab es im östlichen Alpenvorland. Hier be-
fanden sich in räumlicher Nähe zu den Alpen noch die pannonischen Bistümer
Scarabantia/Sopron und Savaria/Szombathely, etwas weiter entfernt Siscia und
das bedeutende Sirmium/Sremska Mitrovica am Unterlauf der Save.27
22 Sennhauser (Hg.), Frühe Kirchen im östlichen Alpengebiet, 271 und 355 (Abb.) ; Wol, Die Kontinu-
ität der Kirchenorganisation 27.
23 Die Interpretation archäologischer Funde als christlich ist selten eindeutig und oft umstritten. Ubl,
Christianisierung von Noricum Ripense 130 ff.
24 Wolff, Die Kontinuität der Kirchenorganisation 5 ; Heitmeier, Inntal 152 f.; Alfödy, Patrimonium re-
gni norici 171.
25 Jäggi, Vom römischen Pantheon 61.
26 Siehe dazu S. 190 und 204.
27 Tóth, Das Christentum in Pannonien 261. Auch Sirmium könnte die für Noricum verantwortliche
Metropole gewesen und die erst für das Ende des 6. Jh. nachgewiesene Orientierung zu Aquileia
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361