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188 Menschen in den Alpen
Kombination war in Gallien, besonders in den Regionen an der Peripherie der
merowingischen Macht, durchaus üblich. 84
Auch das Bistum Sabiona/Säben zeigt starke Hinweise auf eine Kontinuität. Es
wurde Ende des 6. Jh. zum ersten Mal erwähnt.85 Die Lage dieses Bischofssitzes
auf einen alles beherrschenden Felsen nahe der Eisackschlucht, fern von einer
römischen civitas, ist eigenartig. Dies brachte die Forschung gelegentlich dazu,
anzunehmen, dass ein ursprünglich im Tal gelegener, unbekannter Sitz vor der
ersten Erwähnung des Bistums auf den Hügel verlegt worden war. 86 Nach der letz-
ten Nennung Ende des 6. Jh. wurde für fast 200 Jahre kein Bischof mehr erwähnt.
Aufgrund der archäologischen Funde87 und der ungebrochenen romanisch-christ-
lichen Tradition dieses Gebietes kann man aber von einer christlichen Kontinuität
ausgehen. Falls es keinen Bischof mehr gegeben hatte, so blieb zumindest jemand
da, der die Erinnerung an ihn aufrecht erhielt.88 Die Region hatte noch im frühen
Mittelalter eine Bevölkerung, die gewisse spätantike Traditionen pflegte. 827/828
rechnete sich ein Wipptaler mit dem romanischen Namen Quartinus der natio No-
ricorum zu und 923 galt das obere Etschtal dem comitatu Nurihtale zugehörig.89 Die
Bezeichnung Nurihtal kann von dem antiken Provinznamen Noricum abgeleitet
werden.90 Die Gründung des Klosters Innichen im Jahr 769 zur slawischen Mission
zeigt letztlich, dass das Christentum auch im weiter östlich gelegenen Pustertal
schon gut verbreitet war und keinerlei Unterstützung bedurfte. An diesen Orten
könnte man von einer Kontinuität auch während der quellenarmen Zeit ausgehen.
Die christliche Organisationsstruktur und Topografie veränderte sich gerade im
quellenarmen 7. Jh. stark. Als sie im späten 8. und 9. Jh. wieder fassbar werdem, zei-
gen sich vielerorts Veränderungen und Brüche. In den südlichen Alpenausläufern
der Seealpen verlagerten sich in dieser Zeit einige Bischofssitze, andere, wie etwa
84 Kaiser, Churrätien 50 und 48 ff. über die Geschichte der Zacconen/Victoriden sowie Bischofsherr-
schaft 63 ff. zur Bischofsherrschaft in Chur.
85 Berg, Bischöfe 92 ; Paulus Diaconus Hist. Lang. III 26 und 31.
86 Dies könnte bedeuten, dass es sich vielleicht um ein „Fluchtbistum“ handelte. Zu dieser These
(skeptisch) : Berg, Bischöfe 89 ff.
87 Nothdurfter, Säben 41 ; Kromer, Vorbericht 19 ff. spricht von einer sicherlich christlichen und nicht
armen Bevölkerung.
88 Wolfram, Grenzen und Räume 98 ff.; Riedmann, Die Funktion der Bischöfe von Säben 95 ; Huter,
Säben 8 f.; Heuberger, Rätien im Altertum 189 f. sprach sich gegen eine Kontinuität aus, allerdings
lagen damals noch keine Ausgrabungen vor.
89 Wolfram, Grenzen und Räume 298 ; Salzbg. UB Codex Odalberti 923 Nr. 1 S. 66 f.; Trad. Freis. ed.
Bitterauf Nr. 550 (827/828) S. 471 f.
90 Wolfram, Salzburg, Bayern, Österreich 73 und Grenzen und Räume 298 f.; Klebel, Das Fortleben des
Namens „Noricum“ 48.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361