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Christentum 189
Cimiez und Brigomagus, verschwanden ganz.91 Im mittleren Alpenvorland wurde
um 580 das Bistum von Aventicum/Avenches nach Lausanne verlegt. Die Ursache
der Verlegung wurde oft in den heidnischen Alemannen gesehen. Da jedoch schon
Anfang des 7. Jh. inmitten ebendieser Heiden die Gründung des Bistums Konstanz
erfolgte, scheint das unwahrscheinlich. Der Grund wird daher noch diskutiert.92
Irgendwann in diesem Jahrhundert übersiedelte auch der Sitz des Bischofes von
Augusta Raurica/Kaiseraugst nach Basilia/Basel, auch hier sind die Umstände un-
bekannt. Wirtschaftliche Gründe scheinen den Ausschlag gegeben zu haben.93
In den Alpen selbst wurde das Bistum von Octodurum/Martigny, das sich di-
rekt am Passfuß des Großen St. Bernhard befand, noch vor 585 in das 30 km weiter
östlich gelegene Sedunum/Sion/Sitten verlegt. Dieses Bistum war sehr mächtig,
es schlug in merowingischer Zeit sogar eigene Münzen, und in der Schatzkammer
befinden sich wertvolle Objekte aus dem 5. und 6. Jh.94 Der auf einem felsigen Hü-
gel etwa 150 m über dem Talboden gelegene Ort war schon im Jahrhundert davor
durch eine Mauer befestigt worden. Octodurum hingegen wurde praktisch aufge-
geben.95 Wie auch in den anderen Fällen gibt es keine Quellen für die Ursache des
Standortwechsels. Im Falle von Octodurum könnte es die Konkurrenz zu dem im-
mer bedeutenderen, nahegelegenen Kloster St. Maurice d’Agaune gewesen sein,
die den Bischof bewog, seinen Standort nach Sedunum/Sion zu verlagern.96 Die
geschützte Lage auf einem Hügel, im Gegensatz zu dem in der Ebene liegenden,
unbefestigten Octodurum, mag auch eine Rolle gespielt haben : Bischof Leude-
mund von Sion pries um 616 den Ort als besonders sicher.97
Bei einem anderen alpinen Bistum gibt es eine Quelle über die möglichen Ur-
sachen des Unterganges : Paulus Diaconus Bericht über Iulium Carnicum/Zuglio.
Dieses Bistum am Fuß des Plöckenpasses bestand spätestens seit dem Ende des 5.
Jh. Durch den Untergang der bischöflichen Organisation in Noricum war Iulium
Carnicum allerdings recht abgelegen. Trotzdem konnte Bischof Fidentius ein aus-
91 Guyon, Provence 418 ; Beaujard, Les cites de la Gaule Méridionale 21 ff.; Jourdain-Annequin (Hg.),
Atlas culturel 251 (I. Cowburn).
92 Blanc, Avenches/Aventicum 185 ; LexMa „Konstanz“ (H. Maurer), „Avenches“ (K. Stock). Jäggi,
Vom römischen Pantheon 95 meint, das Bistum Vindonissa/Windisch wäre zuerst nach Avenche
und dann nach Lausanne verlegt worden. Das LexMa („Konstanz“, „Avenches“) hingegen verbindet
das Bistum Konstanz mit der „Tradition des spätantiken Bf.sitzes Windisch“ und sieht Avenches als
eigenständiges Bistum, das später nach Lausanne verlegt wurde.
93 Schwarz, Zur „Topographie chrétienne“ 154.
94 Thurre, Les trésors ecclésiastiques du haut moyen âge 85 ; Windler, Land und Leute 179.
95 Bonnet, Topographie chrétienne143 ; Faccani, Martigny 173 ; Zermatten, Walliser Geschichte 47.
96 Windler, Land und Leute 163 ; Beaujard, Les cités de la Gaule Méridionale 21.
97 Fredegar IV 44.
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Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361