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190 Menschen in den Alpen
gezeichnetes Verhältnis zum langobardischen dux aufbauen, der ihm schließlich
erlaubte, Ende des 7./Anfang des 8. Jh. seinen Sitz in die Residenzstadt Forum
Iulii/Civi dale zu verlegen. Der Bischof diente von nun an dem Herzog von Friaul
als eine Art „Eigenbischof“. Diese prominente Stellung so nahe dem Repräsen-
tanten der weltlichen Macht war jedoch dem Patriarchen von Aquileia, Kalixtus,
nicht recht. Denn er goutierte nicht, dass der Bischof einer geringeren Diözese am
Sitz des Herzogs residierte. Daher vertrieb er diesen kurzerhand und zog in dessen
Haus ein. Fidentius konnte allerdings mit der Unterstützung des dux rechnen, der
darauf hin Kalixtus gefangen nahm. Doch der Patriarch saß am längeren Ast : Er
wiederum erhielt Hilfe vom langobardischen König, der einfach den dux absetzen
ließ.98 In diesem Machtspiel zwischen dux und König, Bischof und Metropolit ging
das Bistum Iulium Carnicum schließlich ganz unter.
Der östliche Zentral- und der Ostalpenraum gehörte Mitte/Ende des 6. Jh. mit
sehr großer Wahrscheinlichkeit zum fränkischen Einflussgebiet. Die fränkischen
Herrscher dürften daran gearbeitet haben, den Machtanspruch ihres Reiches
durch Ausbau und Unterstützung der kirchlichen Strukturen in Binnennoricum
zu festigen. Der Einflussversuch der fränkischen Kirche in den Ostalpen zeigt sich
etwa anhand eines Briefes aus dem Jahr 591, den die Bischöfe des Patriarchates von
Aquileia infolge des Drei-Kapitel-Streites an den Kaiser Maurikios geschrieben
hatten. Sie raten ihm ab, ihnen zu drohen, denn sie könnten sich ansonsten von
den benachbarten fränkischen Erzbischöfen weihen lassen. Denn schon vor Jahren
sei in den Bistümern von Breonensi, Tiburnensi, et Augustana99 die fränkische Kirche
aktiv gewesen.100 Über die Interpretation der im Text erwähnten Ortsnamen wird
nach wie vor diskutiert. Üblicherweise wird von Virunum, Teurnia und Aguntum
ausgegangen. Es gibt aber auch Deutungen, die Augsburg oder ein Bistum der Bre-
onen erkennen wollen.101 Im byzantinischen Suda-Lexikon aus dem 10. Jh. wird
Virunum als „Βηρούνιον“, also Berounion, eingetragen. Die Gleichung Breonensi
= Virunum scheint also gar nicht so weit hergeholt. Die antike Stadt Virunum be-
stand damals gar nicht mehr, sie war vermutlich auf einen nahe gelegenen Hügel
98 Der Vorfall wird in das Jahr 737 datiert. Paulus Diaconus Hist. Lang. VI. 51 ; Krahwinkler, Friaul 61
u. 85.
99 MGH EE I, S. 17, dort allerdings mit der Verschreibung „Beconensi“.
100 Berg, Bischöfe 82 f.
101 Virunum, Teurnia und Aguntum : Wolfram, Grenzen und Räume 98 ; Krahwinkler, Friaul 75 ; Heu-
berger, Rätien im Altertum 159, 258 ; Berg, Bischöfe 53, 83. Breonen, Augsburg und Teurnia deutet
beispielsweise Wolff, Die Kontinuität der Kirchenorganisation 8. Das hypothetische Breonenbistum
hätte nach einigen Theorien den Sitz in Säben gehabt.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361