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Christentum 195
ser Entwicklung folgten auch die alpinen Bischofssitze. Die Verlegung auf einen
Hügel war in Gallien127 und besonders im Ostalpenraum üblich128 : Teurnia und
vielleicht Säben wurden von Anfang an auf einer Anhöhe angelegt129, andere Bi-
schofssitze, wie Aguntum und eventuell Virunum wurden von der Ebene auf eine
Anhöhe verlagert.130 In Chur war nahe der römischen Talsiedlung auf einem Hü-
gel ein ummauertes spätrömisches Militärkastell angelegt worden. In diesem nur
1,18 ha großen Kastell befand sich auch der Bischofssitz, dessen Kirchen einen
großen Teil des Raumes besetzten.131 Die römische Siedlung selbst lag im Tal, sie
dürfte zwar im frühen Mittelalter noch bewohnt gewesen sein, doch Mittelpunkt
der Region war der Bischofssitz.132
Die westalpinen Städte Genava/Genf und Gratianopolis/Grenoble verblieben
im Tal, wurden aber ummauert. Die Mauer, die den relativ kleinen Stadtkern von
Grenoble umfasste, wurde Ende des 3. Jh. gebaut. Der bischöfliche Komplex der
Stadt war dennoch groß und bestand aus zwei bis drei Kirchen, einer bischöflichen
Residenz, einem Baptisterium und einem Kloster. Die Vorbilder weisen in die be-
nachbarten Regionen, Aosta und Frejus, weiter nach Osten zu Poreč/Istrien und
Caričin Grad/Serbien bis hin nach Nordafrika zu Tigzirt/Algerien. Ab dem 5. Jh.
entstanden außerhalb der Stadtmauer rund um die Grabkirche St. Laurent ein
Friedhof und eine Siedlung.133 Die Residenz des Bischofs von Genf umfasste mit
fast einem Sechstel ebenfalls einen großen Raum der Fläche innerhalb der Mau-
ern.134 Ähnlich wie in Grenoble wurde gegen Ende des 3. Jh. ein kleines Gebiet
im Zentrum der Stadt, etwa 5,5 ha groß, ummauert. Genf dürfte in dieser Zeit zur
civitas erhoben worden sein, weshalb hier nach der Christianisierung innerhalb
der Mauern ein Bischofssitz entstand.135 Im 5. und 6. Jh. diente Genf als eine Re-
127 Guyon, La topographie chrétienne 118 f.
128 Dazu Ciglenečki, Höhenbefestigungen. Zu den Höhensiedlungen der Alpen allgemein siehe Kapi-
tel „Höhensiedlungen und Burgen“ ab S. 249.
129 Glaser, Teurnia 138.
130 Säben wurde wohl auf dem Hügel gegründet, denn der hypothetische Talort ist völlig unklar. Bei
Virunum ist die Lage der Höhensiedlung noch unbekannt, da hierfür mehrere Orte in Betracht
kommen. Es bieten sich der Grazerkogel, der Ulrichsberg oder der Hemmaberg an. Am wahr-
scheinlichsten lag das spätantike Virunum wohl am Grazerkogel. Gleirscher, Karantanien 52.
131 Kaiser, Churrätien 105 f.
132 Ebd.103 ff., Sennhauser, Katalog der frühchristlichen und frühmittelalterlichen kirchlichen Bauten
69.
133 Colardelle, Grenoble 11 f.; Duval (Hg.), Les premiers monuments chrétiens 230 ff.; Jourdain-Anne-
quin (Hg.), Atlas culturel 236 (F. Gabayet), siehe auch Abbildung 19, S. 243.
134 Loseby, Decline and Change 68.
135 Bonnet, Les fouilles 14 ff.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361