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196 Menschen in den Alpen
sidenz der burgundischen Königsfamilie.136 Die Bruderkriege der Burgunder um
500 scheinen Zerstörungen bewirkt zu haben, die aber dem Bischofssitz sogar eine
Vergrößerung brachten. Er bestand nunmehr aus drei Kathedralen, einem Baptis-
terium und einer bischöflichen Residenz.137 Die Ausgrabungen in der Umgebung
brachten mehrere Siedlungskerne um die Kirchen außerhalb der Stadtmauern zu-
tage.138 Im 7. und beginnenden 8. Jh. gab es in Grenoble und Genf keine große
Bautätigkeit. Erst ab der karolingischen Zeit fanden wieder größere bauliche Ver-
änderungen statt. Diese brachten hier und auch an anderen Orte ein Verschwinden
der Kirchen innerhalb des Komplexes und die Betonung einer einzigen Kirche. Zu
dieser Zeit wurden viele Baptisterien geschliffen, da sich der Taufritus geändert
hatte und das ganze Untertauchen des Täuflings nicht mehr notwendig war.139 Die
Tendenz führte bei den Bischofssitzen ab der karolingischen Zeit zu einer „Verein-
heitlichung des Raumes“ 140. Besonders auffällig zeigte sich diese Entwicklung in
Genf, wo um das Jahr 1000 eine monumentale Kathedrale gebaut wurde, die alle
anderen ersetzte.141
Die Strukturveränderungen der Spätantike brachten an vielen Orten noch grö-
ßere Umgestaltungen für die regionale christliche Topografie. Eine oft beobacht-
bare Entwicklung war die Entstehung von ländlichen Siedlungen rund um Kirchen
nahe der städtischen Zentren. Im spätantiken Gallien war die Anzahl von außer-
halb der Stadtmauern gelegenen Kirchen oft sehr hoch. So gab es bei Metz über
40. Oft waren diese Kirchen einst alte Begräbnis- und Memorialkirchen eines oder
einer Heiligen gewesen, der/die in dem vor dem Ort gelegenen Gräberfeld bestat-
tet worden war. In Gallien entwickelten sich in vielen Fällen nahe dem antiken
Stadtkern um diese Kirchen herum mehrere ungeschützte Siedlungen. Beispiele
finden sich in Tours oder Limoges.142 Ein häufiges Patrozinium solcher Kirchen ist
St. Laurent/Lorenz/Laurentius. Diese Struktur findet sich in den Alpen in Gre-
noble, wo eine Kirche St. Laurent aus dem 5. Jh. vor den Stadtmauern liegt143,
und bei der frühchristlichen Kirche St. Laurenz bei Lauriacum/Lorch, ebenfalls
außerhalb der Befestigung.144 Begräbniskirchen vor den Stadtmauern gibt es auch
136 Kaiser, Burgunder 57.
137 Bonnet, Les fouilles 38 u. 54.
138 Bonnet, Topographie chrétienne143 f.
139 Ebd. 150 ; Jourdain-Annequin (Hg.), Atlas culturel 237 (F. Gabayet).
140 Lehmann, Von der Kirchenfamilie zur Kathedrale 28 (im Gegensatz zu den Klöstern und Wall-
fahrtsorten, wo mehrere Kirchen noch bis weit in die Neuzeit üblich sind).
141 Bonnet, Les fouilles 77.
142 Loseby, Decline and Change 71 ff., 79.
143 Colardelle, Grenoble 11 f.
144 Ubl, Christianisierung von Noricum Ripense 147.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361