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204 Menschen in den Alpen
gekommenen fränkischen Missionare Rupert, Emmeram und Corbinian, sodass oft
vergessen wird, dass das Land südlich der Donau und nördlich der Alpen schon
vorher durchaus christliche Züge hatte.178
In den alten römischen Zentren blieben die ehemaligen Provinzialen zumindest
zum Teil christlich. Eine kontinuierliche Besiedlung ist an einigen Orten bezeugt,
in erster Linie an den ehemaligen römischen Städten und Militärlagern entlang der
Donau. In Regensburg wurden die Gebäude der römischen Zeit weiterhin genutzt
und in Passau wurde die heutige Friedhofskirche von Passau-Innstadt auf einer
spätantiken gebaut. Hier ist eine christliche Kontinuität von der Spätantike über
das frühe Mittelalter hinaus wahrscheinlich.179 Die Verehrung der heiligen Afra
in Augusta Vindelicorum/Augsburg wurde schon im Jahr 565 durch den Dichter
Venantius Fortunatus bezeugt.180 Auch die Ausgrabungen deuten auf eine Kontinu-
ität der Bevölkerung.181 Dieser Kult sowie bestimmte mailändisch-ambrosianische
Eigentümlichkeiten der Liturgie des Mittelalters deuten auf ein Weiterbestehen,
weniger des Bischofssitzes, sondern eher einer Klerikergemeinschaft.182 Erst mit
Bischof Wicterp (ca. 738–772) ist ein Bistum belegt.183
Meist liegen jedoch große Lücken in der Baugeschichte vor und schriftliche
Quellen gibt es nicht.184 Aufgrund von diesem Fehlen kann man allerdings noch
nicht automatisch darauf schließen, dass das Christentum untergegangen war. In
den Westalpen und Gallien wird beispielsweise eine Kontinuität als selbstverständ-
lich angenommen, obwohl es ganz ähnliche Überlieferungsbrüche gibt. Allerdings
war hier, anders als im Voralpenraum, kaum eine heidnische Bevölkerung zugezo-
gen und wirklich heidnische Regionen waren fern. Dem Großteil der Menschen,
alteingesessen wie neuzugezogen, fehlte jedenfalls das richtige Verständnis für den
Glauben und heidnische Bräuche hatten auch für Christen gelegentlich mehr An-
ziehungskraft als die heilige Messe. Dies bezeugt das in der Vita des Columban
erwähnte Bierfest der Alemannen in Bregenz. Die Quelle erwähnt ausdrücklich
getaufte Menschen, die ermahnt werden mussten, vom heidnischen Treiben ab-
zulassen.185 Die Vita des Gallus aus dem 8. Jh. erzählt, dass sogar eine Kirche für
178 Mayr, Frühes Christentum in Bayern 282 ff.; Wolfram, Grenzen und Räume 96 ff.; Wood, The Mis-
sionary Life 36 f.
179 Erkens, Die Ursprünge der Lorcher Tradition 438.
180 Vita S. Martini Lib. IV MGH Auct. ant. 4.1, S.368.
181 Rettner, Romanen des 5. und 6. Jahrhunderts in Deutschland 186 f.
182 Prinz, Klerus und Krieg 438.
183 LexMa „Augsburg“ (G. Kreuzer).
184 Sage/Dannheimer, Kirchenbau 293.
185 Jonas Vita Columbani c. 27 MGH SS rer. Merov. 4, S. 102.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361