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210 Menschen in den Alpen
Italien gegeben hat, so lief er vermutlich vor allem über diesen Weg.213 Dies wiede-
rum könnte die Kontinuität des Christentums entlang der Route begünstigt haben.
Und schließlich ein weiteres Argument : Wenn sich schon das pannonische Chris-
tentum mehrere Hundert Kilometer entfernt von den kirchlichen Zentren Oberitali-
ens halten konnte, warum sollte dann das Christentum des Drau- und Gailtales ganz
untergegangen sein, das nur knappe ein bis drei Tagesreisen entfernt lag ? Die Frage,
wer die Priester weihte und die Taufen leitete, bleibt ungeklärt, denn Bischöfe gab es
in den Ostalpen keine mehr. Die Distanz zu dem nächstgelegenen Bischofssitz war
jedoch für mittelalterliche Verhältnisse nicht sehr groß : Sowohl Säben als auch die
Bistümer von Friaul und Venetien lagen alle näher als 200 km. Der Bischofssitz von
Zuglio existierte bis Ende des 7./Anfang des 8. Jh.214, er war nur 70 km von Aguntum
und 100 km von Teurnia entfernt, also etwa drei bis vier Tagesreisen. Auch in späte-
ren Jahrhunderten waren weite und lange Reisen aus administrativen Gründen die
Norm, diese Distanz ist für frühmittelalterliche Verhältnisse eher gering.215
Für den Rest des slawischen Ostalpenraumes, also Enns- und Murtal und den
östlichen Teil des Kärntner Beckens, sind die Indizien rar und die Wahrschein-
lichkeit einer christlichen Kontinuität geringer. Dennoch wird sich eine Art Volks-
christentum gehalten haben können. Große Teile der christlichen Bevölkerung
könnten durch familiäre Verbindungen mit zuziehenden Slawen innerhalb weniger
Generationen heidnisch geworden sein, ganz abgesehen von der Vorbildwirkung
der nun nicht mehr christlich orientierten Eliten.
Eine echte Kontinuität, also eine durchgehende christliche Verwendung der
Kir chen ist archäologisch kaum nachzuweisen und in vielen Fälle umstritten. Die
Funde am Georgenberg bei Micheldorf am Ausgang der Pyhrnroute werden zum
Beispiel von Hermann Vetters als Zeichen von christlicher Kontinuität gesehen216,
heute ist man vorsichtiger in der Deutung der Funde.217 Die großen kirchlichen
Zentren Teurnia oder Hemmaberg wurden vermutlich Ende des 6./Anfang des
7. Jh. aufgelassen, doch gibt es einige wenige Hinweise auf ein zumindest profanes
Weiterbestehen der Anlagen.218 Erst im späten Mittelalter wurden unweit der reli-
giösen Anlagen wieder Kirchen erbaut.
213 Darauf deuten Handschriften in Salzburg, deren Vorlagen aquileischer Herkunft sind. Sie kamen
irgendwann zwischen 400 und 800 nach Salzburg. Bratož, Der Einfluß Aquileias 53.
214 S. o. und Paulus Diaconus Hist. Lang. VI 51.
215 Wolff, Die Kontinuität der Kirchenorganisation 24.
216 Vetters, Die Kontinuität von Antike zum Mittelalter im Ostalpenraum 37.
217 Koch, Schwerpunkte der Kirchenarchäologie195 f.
218 Piccottini, Carinthia Romana 219 ; Ladstätter, Zur Charakterisierung 856 und Die materielle Kultur
205 ; Gleirscher, Karantanien 49 ; Neueste Ausgrabungen am Hemmaberg lassen vermuten, dass
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361