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222 Menschen in den Alpen
entsandten Personen durch ausreichend Proviant. Zusätzlich musste oft auch der
Abt oder Bischof persönlich mitmarschieren. Diese Entwicklung scheint eine rein
karolingische zu sein, denn Karls Vorgänger hatten die Äbte zunächst nur zu einer
seelsorgerischen Teilnahme am Heereszug verpflichtet. Eigentlich galt das Waf-
fentragen als unvereinbar mit dem geistlichen Stand.281
Vielen nordalpinen Klöstern wurde nach der Eroberung des langobardischen
Reiches Güter südlich des Alpenhauptkammes übergeben. Durch diese Schen-
kungen hoffte man, den Besitz im ehemaligen Reich der Langobarden besser kon-
trollieren zu können. So bekam beispielsweise das Kloster St. Martin in Tours
zahlreiche wertvolle Güter in Oberitalien, unter anderem die Halbinsel Sirmione
im Gardasee. St. Maurice erhielt Besitzungen in Tuscien. In den zentralen Alpen
wurde das Veltlin von Karl dem Großen an die Abtei St. Denis vergeben,282 um
die geistige Oberhoheit stritten sich die Bischöfe von Chur und von Como. Diese
transalpinen Besitzungen trugen auch dazu bei, dass das Wege- und Transportsys-
tem innerhalb der Alpen verbessert wurde.283
Prestige und Ansehen der Klöster wuchsen mit ihrem Reichtum. Die Kirche in
Mitteleuropa dürfte spätestens ab der Mitte des 6. Jh. mit der Akkumulation von
Reichtümern begonnen haben.284 Die Schatzkammern der Klöster erhielten reiche
Gaben und Reliquien, oft von königlicher Hand. In karolingischer Zeit erreichte
der Reliquienkult seine volle Blüte, ein Ansammeln kostbarer Reliquien und Re-
liquienbehälter wurde damit für die Geltung des mittelalterlichen Klosters sehr
wichtig.285 Gelegentlich wurde auf diese Weise ein heidnischer Kultplatz „über-
tüncht“, man hoffte durch die Verehrung besonders wertvoller Reliquien Men-
schen von paganen Praktiken abzuhalten.286 Erwähnenswert ist diese Entwicklung
deshalb, weil auch in den Alpen einige Klöster außergewöhnlich reich gewesen
waren. Hier sticht besonders St. Maurice d’Agaune hervor,287 aber auch Novalesa
oder St. Gallen. Die Schattenseite des Reichtums war, dass im 9. und 10. Jh. die
alpinen Abteien ein attraktives Ziel für die Plünderungszüge der Sarazenen und
Ungarn waren. Sie überfielen die Klöster, raubten die Schätze und brannten die
281 Prinz, Klerus und Krieg 75 f. und 80 f.; Kaiser Bischofsherrschaft 75 zur militärischen Funktion der
Bischöfe.
282 MGH DD Kar I Nr. 94, S. 135.
283 Störmer, Frage der Funktion des kirchlichen Fernbesitzes 389.
284 Marazzi, The destinies of the Late Antique Italies 158.
285 Thurre, Les trésors ecclésiastiques du haut moyen âge 79 f.
286 Wood, The Merovingian Kingdoms 74.
287 Thurre, Les trésors ecclésiastiques du haut moyen âge 43 ff.
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361