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Christentum 225
den Vinschgau und das Etschtal den Alpenausgang erreichten. Die ersten Kirchen
Graubündens wurden alle entlang dieser Verkehrsrouten gebaut. Das gleiche gilt
für die Klöster. Diese Konvente wurden aus der vom Frankenreich vermittelten
monastischen Idee gegründet und hatten deshalb mehr eine „politisch-kulturelle“
als eine religiöse Bedeutung.302 Anhand der Lage an den wichtigen Übergängen
kann ihr Einfluss für den Alpentransit erschlossen werden. Siehe dazu Abbildung
B auf S. 354 am Ende des Buches.
Die genauen Ursprünge der meisten churrätischen Klöster liegen im Dunkeln.
Als Erstes dürfte um 700 das Frauenkloster Cazis entstanden sein, offenbar als
Hauskloster der Bischofsfamilie. Der Konvent lag am Weg zum Splügen-Pass. Nur
wenig jünger war das ebenfalls als Frauenkloster gegründete und dem Bischof
zugehörige Mistail an der Strecke Richtung Julier und Septimer.303 Dass sich ein
Frauenkloster um die Sicherung und Organisation der Wege kümmerte, findet sich
übrigens auch in Salzburg.304 Für das Männerkloster Pfäfers fehlen die Quellen
der Frühzeit ganz. 762 ist der erste Abt überliefert, die Gründung könnte aber
schon um 730 erfolgt sein. Vielleicht stand die Niederlassung mit Reichenau in
Verbindung und ist Zeichen eines „rätisch-alamannischen Zusammenwirkens“.305
Schon im rätischen Reichsguturbar vom Anfang des 9. Jh. wird deutlich, dass Pfä-
fers in der Verkehrsorganisation per Schiff über den Walensee eine bedeutende
Rolle spielte. Möglicherweise waren dem Kloster auch die beiden zweitrangigen
Alpenübergänge Splügen und Septimer anvertraut.306
Aber nicht nur die traditionellen antiken Routen wurden gepflegt, es wurden
auch neue Wege eröffnet. Irgendwann Anfang des 8., vielleicht sogar schon im 7.
Jh., wurde das Kloster Disentis gegründet. Die Anfänge dieser Gemeinschaft liegen
im Dunkeln, üblicherweise wird der fränkische Eremit Sigisbert als Gründer ange-
sehen, der in das noch recht unerschlossene obere Vorderheintal kam. Mithilfe des
Räters Placidus errichtete der wohl dem irofränkischen Mönchstum nahestehende
Mann das Kloster. Eine spätere Überlieferung verlegt dessen Gründung sogar in
das Jahr 613. Sowohl diese Jahreszahl als auch der Gründer verweisen auf den
fränkischen Einfluss, der zu einem teilweise sehr angespannten Verhältnis mit dem
Bischof von Chur führte.307 Disentis liegt am Fuße des Lukmanierpasses, der da-
durch für mehr Reisende nutzbar wurde und sich in der Folge zu einem wichtigen
302 Kaiser, Churrätien 128.
303 Ebd. 128 ff.
304 Notitia Arnonis 7.7 ed. Lošek 83 ; Jahn, Ducatus 88 u.96.
305 Kaiser, Churrätien 144 und 140 ff.
306 Clavadetscher, Rätien im Mittelalter 291 u. 294. Als Hauptübergang gilt der Julier.
307 Löhlein, Alpen- und Italienpolitik 76 ; Kaiser, Churrätien 135.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361