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234 Menschen in den Alpen
Schwiegervater, den Langobardenkönig Desiderius besucht.352 Vielleicht sollte
Tassilos Begüterung von Innichen eine Entspannung der fränkisch-bairischen Ver-
hältnisse herbeiführen,353 denn das Patrozinium des Klosters, der heilige Dionysius,
zeigt eine Ausrichtung an den fränkischen Kulturkreis. Diesen Heiligen, Patron
des mächtigen fränkischen Reichsklosters St. Denis, findet man auch in Schar-
nitz.354 Im Stiftungsbrief wurde ausdrücklich die Funktion von Innichen als Missi-
onskloster festgelegt.355 Die Lage direkt am einfachsten Übergang an der Grenze
zum slawischen Gebiet war dafür wie geschaffen. Der Raum um Aguntum/Lavant
dürfte noch recht christlich-romanisch gewesen sein und die Lage daher nicht so
ausgesetzt wie Bischofshofen. Denn im Gegensatz zu Bischofshofen, das übrigens
keinen ausdrücklichen Missionsauftrag hatte, wurde Innichen nie zerstört. Der
Aufstand in Karantanien, der im selben Jahr der Errichtung von Innichen ausbrach
und bis 772 dauerte, bedeutete ebenfalls keine Gefahr für das Kloster.356
Das letzte Kloster, das hier vorgestellt werden soll, ist Molzbichl. Dieses zeigt,
wie bruchstückhaft die Überlieferung der kirchlichen Landschaft des frühen
Mittelalters eigentlich ist. Erst 1986 wurden dort nach Ausgrabungen Reste von
Klostergebäuden und unter der heutigen Kirche ein Sakralbau freigelegt, „[…]
dessen Ausmaße in Österreich bislang nur vom gleichzeitigen Salzburger Virgil-
Dom übertroffen wurde.“357 Bis zum Zeitpunkt der Grabung war nichts über
ein derartiges Kloster bekannt, die gesamte Anlage war schon im Mittelalter
vergessen worden. Es gibt auch keine einzige entsprechende schriftliche Über-
lieferung. Nachdem Tassilo im Jahr 772 die Aufstände der Karantanen endgültig
niederschlagen konnte, hängt die Errichtung eventuell mit diesem Ereignis zu-
sammen.358 Die Grabplatte des Diakons Nonnosus aus der Mitte des 6. Jh. zeigt,
dass in Molzbichl die spätantiken Wurzeln der Region gepflegt wurden. Doch
schon im 9./10. Jh. wurde das Kloster aus unbekannten Gründen aufgelassen. Es
352 Schmid, Bayern und Italien 71.
353 Störmer, Fernstraße und Kloster 312.
354 Ebd. 312 ; Wolfram, Grenzen und Räume 127 ; dies wurde früher oft als Zeichen der Karolingernähe
Freisings gedeutet und damit weiterführend eine Opposition zu den Agilolfingern angenommen.
Bosl, Die Gründung Innichens 414, meint dazu „Freising war geradezu das fränkische Widerstands-
nest gegen die Autonomiepolitik Tassilos III“.
355 Trad. Freis. ed. Bitterauf Nr. 34 S. 61 : „propter incredulam generationem Sclauanorum“.
356 Wolfram, Grenzen und Räume 304. Man könnte dabei natürlich auch daran denken, dass das Lien-
zer Becken vielleicht gar nicht zu Karantanien gehört hatte sondern eine eigene (slawische) Herr-
schaft mit starken romanisch-christlichen Komponenten hatte. Dafür würde auch sprechen, dass
der Raum in der Conversio gar nicht erwähnt wird.
357 Karpf, Heiliger Nonnosus147.
358 Wolfram, Grenzen und Räume 124.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361