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242 Menschen in den Alpen
angebaut wurde, um länger standhalten zu können.394 In Italien gibt es zahl reiche
Hinweise auf landwirtschaftlich genutztes Land innerhalb der Stadtmauern.395
Auch die zahlreichen Funde schwarzer Erde in den oberitalienischen Städten des
frühen Mittelalters werden als ein Hinweis auf Gärten oder anders agrarisch ge-
nutzte Flächen gesehen.396
Der Trend zur Ummauerung der Zentralorte kann auch in den Alpen beobach-
tet werden. Die Stadtmauer von Grenoble erwies sich als so stabil, dass sie noch
bis ins hohe Mittelalter fast vollständig intakt war (siehe Abbildung 19). Im Füllm-
aterial dieser Mauer fanden sich Spolien- und Statuenreste, die zeigen, mit welcher
Schnelligkeit das Baumaterial gefunden werden musste. Eine Inschrift datierte den
Bau dieser Mauer in die Jahre 284–293.397 In Genf umfasste die Mauer nur einen
Teil des Stadtgebietes, einige Viertel lagen außerhalb.398 Auch bei der Befestigung
von Susa blieben Teile der ursprünglichen Siedlung ungeschützt. Auch bei Genf
und Susa fanden sich Reste von einstigen Bauten im Füllmaterial der Mauern.399
Die Stadtmauer von Teurnia befestigte die ohnehin schon günstig auf einem Hügel
gelegene Stadt, der Bau wurde aus historischen Gründen von F. Glaser zwischen
324 und 467 datiert.400 Einige Stadtmauern scheinen weniger als Schutz denn aus
Prestige gebaut worden zu sein und hatten kaum eine Schutzfunktion. Die Mauer
von Vienne umfasste ein riesiges Areal und diente vor allem der Selbstdarstellung
der römischen Macht.401 Dieser repräsentative Typ findet sich in den Alpen in
Aguntum.402
All diese Komponenten bewirkten, dass viele spätantike Städte stark schrumpf-
ten und verfielen. Einige civitates des römischen Reiches wurden ganz verlassen.
Kontinuitätsträger war vor allem die Kirche, wie im entsprechenden Kapitel oben
schon erläutert worden ist : War und blieb die Stadt ein Bischofssitz, so hielt sich
eine Kontinuität normalerweise über das frühe Mittelalter hinaus. Wurde der Bi-
schofssitz aufgegeben oder verlagert, bedeutete das in den meisten Fällen auch
394 Prokopios Bell. Got. III (VII) 36.2 ed. Dewing 2.
395 Wickham, Early Medieval Italy 82.
396 Christie, From Constantine to Charlemagne 261 f.; Cavada, Trient 251 ; Csendes, Antike Wurzeln
10.
397 Jourdain-Annequin (Hg.), Atlas culturel 285 (Georges Montpied) ; Colardelle, Grenoble 11 f.; Duval
(Hg.), Les premiers monuments chrétiens 230 ff.; Pauli, Alpen 62.
398 Jourdain-Annequin (Hg.), Atlas culturel 134 (C. Bonnet).
399 Leguay (Hg), Savoie 299 f.
400 Glaser, Teurnia 141. Archäologisch gibt es keinen eindeutigen Hinweis auf den Erbauungszeitraum.
Gugl, Teurnia 162.
401 Jourdain-Annequin (Hg.), Atlas culturel 122 (Le Bot-Helly).
402 Karwiese, Ager Aguntinus 15.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361