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252 Menschen in den Alpen
auf weisen.443 Militärische Anlagen wurden oft durch Anordnung von höchster
Seite errichtet, etwa im Rahmen der von Prokopius festgehaltenen Baukampagne
des Justinian.444 Cassiodor überliefert uns einen Aufruf Theoderichs an die uni-
versi Gothi et Romani von Trient, die dazu angehalten werden, das Kastell Verucca
zur claustra provincia auszubauen.445 Solche Burgen/castra dienten als Kastell und
als Fluchtburg zugleich. Als 590 die Franken über das Etschtal nach Oberitalien
einfielen, konnten sie dort mehrere Kastelle erobern. Alleine im Kastell Ferruga
(Verucca) konnten sie laut Paulus Diaconus 600 Männer als Geiseln nehmen.446
Diese große Zahl ist vielleicht dadurch zu erklären, dass die Burg als Fluchtort für
die Bewohner der Umgebung diente.447
Eine sehr gut erforschte Höhenanlage der Ostalpen ist der Hemmaberg an der
antiken Straßenstation Iuenna, dem heutigen Globasnitz.448 Diese Anlage ist des-
halb besonders erwähnenswert, weil dort nicht weniger als fünf Kirchen ausgegra-
ben wurden. Die Höhensiedlung selbst wurde Ende des 4. Jh. angelegt, obwohl
der Berg schon vorher Nutzungsspuren aufweist. Im 5. Jh. kam eine Kirche hinzu.
Um 500 wurden auf diesem Hügel vier weitere aufwendig gebaute und mit Mo-
saiken reich gestaltete Kirchen gebaut, darauf wurde oben am Ende des Kapitels
über die lokale christliche Topografie schon genauer eingegangen. Die Funde am
Hemmaberg zeigen, dass die Kirchenanlage nicht nur im 6. Jh. sondern auch in
der Zeit nach der slawischen Eroberung genutzt wurde. Sowohl die vierte als auch
die fünfte Kirche wurden nach einem Brand zwar nicht wieder aufgebaut, aber
offenbar als Wohnraum weiter verwendet. In der „vierten Kirche“ wurde Keramik
gefunden, die man dem Prager Typus zuordnen kann und daher auf slawische
Bewohner hinweisen könnte. Andere Keramiktypen erscheinen als Übergangs-
formen zwischen spätantiker und slawischer Keramik, diese Funde fallen ebenfalls
in die Nachnutzungsphase der Kirchen und werden in das Ende 6./Anfang 7. Jh.
datiert.449 Allgemein kann man jedoch keramische Formen nur schwer einer be-
443 Gassner (Hg.), Am Rande des Reiches 352 ; Scherrer, Anmerkung zur Siedlungssoziologie 225,
sieht den Duel eher als Schutzburg denn als Militärstützpunkt, da keine Waffen gefunden wurden.
Die Befestigungen ähneln den justinianischen Bauten, allerdings fehlen auch einige typische For-
men.
444 Diese werden von Prokopios in seinem Werk „De Aedificiis“ beschrieben.
445 Cassiodor Var. III 48 MGH Auct. ant. 12, S. 103.
446 Paulus Diaconus Hist. Lang. III 31.
447 Landi, Die spätantik-frühmittelalterlichen Castra 91 und 110 : Mit Verruca ist vermutlich die Festung
Doss Trento bei Trient gemeint.
448 Genser, ländliche Besiedlung 334.
449 Ladstätter, Die materielle Kultur 56, 63, 202.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361