Seite - 256 - in Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
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256 Menschen in den Alpen
ist eine kontinuierliche Nutzung von der mittleren Kaiserzeit bis zur Spätantike
nachweisbar.467 Anders die Entwicklung im Inneren der Alpen : Im Wallis lässt
sich eine starke Siedlungskontinuität feststellen. Lokale Entwicklungen förderten
jedoch auch dort an einigen Plätzen die Aufgabe von alten und die Entstehung
von neuen Orten. So gewannen die religiösen Zentralorte St. Maurice und Sion
an Bedeutung, während die ehemaligen römischen Administrations- und Zollorte
Octodurum/Martigny und Tarnaiae/Massongex weitgehend aufgegeben wur-
den.468 Die ländlichen Orte des unteren Wallis zeigen hingegen kaum Spuren von
Brüchen, besonders in den mittleren Höhen zwischen 1.000 m und 1.400 m.469 Im
nur scheinbar abgelegenen Zermatt konnte sich sogar eine Specksteingefäßwerk-
statt vom 3. bis in das 7. Jh. halten.470 Die Talschaften zwischen Gap und Sisteron
waren mit einem dichten Netz an römischen Villen überzogen. Die Nennungen
von vier Villen im Testament des Abbo aus dem 8. Jh. genau in diesem Raum sind
ein Hinweis darauf, dass diese Strukturen auch im frühen Mittelalter zumindest
noch teilweise intakt waren.471
Schon im Altertum bauten sich reiche Leute ihre Sommerresidenzen an den
Plätzen, die als besonders schön galten. Antike und Moderne haben dabei durch-
aus einen ähnlichen Geschmack, denn in Norditalien war besonders der Gardasee
beliebt. In Sirmione am Südufer des Sees wurde ein palastartiges Gebäude ausge-
graben.472 Das Klima des südlichen Alpenvorlandes galt im frühen Mittelalter als
sehr günstig : „quod aestivo tempore locus ipse, utpote vicinus Alpibus, tempera-
tus ac salubris existit“473. Theoderich ließ sich deshalb bei Modicia (Monza) nahe
Mailand einen Palast errichten. Auch die langobardische Königin Theodelinde soll
sich dort ein prächtig ausgemaltes Schloss erbaut haben lassen.474
467 Fischer, Römische Landwirtschaft in Bayern 285.
468 Wiblé (Hg.), Vallis Poenina 125.
469 Die Fundarmut der Talböden liegt vor allem an den natürlichen Bedingungen : Die unregulierten
Flussläufe konnten dieses Gebiet innerhalb kürzester Zeit völlig verändern und Kulturflächen wie
auch Gebäude ganz zerstören. Paccolas/Wiblé, Le Valais 72.
470 Paccolas/Wiblé, Le Valais 74. Speckstein war ein beliebtes Handelsprodukt des frühen Mittelalters.
Lusuardi/Sannazaro, Lavezstein 216. Zermatt war durch den trockenen Steg (siehe S. 122 sowie die
Umschlagabbildung) mit dem Aostatal verbunden.
471 Jourdain-Annequin, Atlas culturel 158 (Bleu) ; Im Testament des Abbo werden diese als Hof (curtis)
bezeichnet : c. 26 „corte mea talarno“ (= Tallard bei Gap)“, c. 21 „salliaris“ (= La Salle) ; c.28 „in ipso
pago uuapenicense corte mea opaga“ (= Upaix) ; c.31 „ualerignaca“ (= Valernes) ed. Geary 52 ff.
472 Pauli, Alpen 120 ff.
473 Paulus Diaconus Hist. Lang. IV 21.
474 Paulus Diaconus Hist. Lang. IV 22. Die Königin Theodelinde hatte dort auch eine Kirche errichten
lassen.
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361