Seite - 260 - in Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
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260 Menschen in den Alpen
leichte Verfügbarkeit von Holz in Mitteleuropa allgemein und in den Alpen ins-
besondere.
Die europaweit „führenden“ Haustypen des Frühmittelalters waren Gruben-
hütten. Diese hatten meist einen recht kleinen Grundriss, waren nicht unterteilt
und etwa 1 m eingetieft. Im alemannischen Raum waren sie meist 2–3 m breit
und 4–6 m lang. Drei Pfostenlöcher an der Schmalseite zeigen einen hölzernen
Vorbau an. Kleinere Grubenhütten dienten aufgrund ihres feucht-kühlen Raum-
klimas als Wirtschaftshäuser, etwa zum Weben oder als Vorratskeller. Im ale-
mannischen Raum wohnten die Hofbesitzer in großen Holzhäusern, die darüber
hinaus der Unterbringung des Viehs dienten.496 In Gallien kann man schon ab
dem Ende des 3. Jh. ähnliche Haustypen finden, sodass man nicht von einer
„germanischen“ Architektur sprechen kann. Offenbar wurden in der Spätantike
in vielen Regionen des Römischen Reiches wieder vorrömische Bauformen auf-
gegriffen.497 Auch im Osten Europas war das Grubenhaus der häufigste Haustyp,
meist viereckig und 4–25 m2 groß. Diese Grubenhäuser dienten als Wohnhäuser,
daneben sind ebenfalls eingetiefte Nutzhäuser zu erkennen. Sie befanden sich
in der Regel in einiger Entfernung zu den Wohngebäuden. Kleine, beheizbare
Holzgrubenhäuschen dienten vielleicht als Badehütten, die auch aus den Quellen
bekannt sind.498
Eine weitere besonders im östlichen und südöstlichen Europa vorherrschende
Wohnform waren Zelte. Die Funde von typisch angeordneten Pfostenlöchern
deuten auf solche Behausungen. Zelte gehören verständlicherweise zu den am
schwersten nachweisbaren Behausungen. Sie kommen aber gelegentlich in den
Quel len vor. Von Awaren und anderen Steppennomaden ist bekannt, dass sie in
Zelten wohnten. Prokopius erzählt, dass Sklavenen und Anten ebenso wohnten,
möglicherweise bevorzugten auch andere slawische Gruppen diese mobile Form
des Wohnens.499 Auch in den Alpen dürften die Hochlagen in den Zeiten der
Bewirtschaftung im Sommer mit ganz einfachen oder mobilen Behausungen
bewohnt worden sein. Hier sind ältere Siedlungsplätze schon allein wegen der
starken Veränderung der Bodenoberfläche im hochalpinen Raum (Erosion, Stein-
schlag, Lawinen) sehr schwer aufzufinden. Es ist kein Wunder, dass im frühen Mit-
telalter die Spuren der Almhütten ganz verschwanden : Steinerne Häuser wurden
496 Christlein, Alamannen 39 ff.
497 Terrier, L’habitat en zone rurale 262 ; Van Ossel, Siedlungsformen 76.
498 Die Badehütten sind ab dem 10. Jh. durch arabische Reiseschriftsteller bekannt. Göckenjahn/Zim-
onyi, Orientalische Berichte : Ibn Rusta 80 ff.; Gardizi 178 ff.
499 Prokop Bell. Got. III (VII) 14 ; Curta, The making of the Slavs 277, 299 ; Hensel, Slawen 350 ff.;
Daim, Die Awaren sitzen kurz ab 18.
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361