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Besiedlung 261
schließlich nicht einmal mehr im Tal gebaut. In den Bergamasker Alpen lebten die
Hirten noch bis ins 19. Jh. beim Sömmern auf der Alm in Zelten.500
Im Mittelalter machte der zentralalpine Hausbau keinen Unterschied zwischen
Almhütte oder Dauerwohnraum in tieferen Lagen, denn beide bestanden aus ei-
nem einzigen nur 7–14 m2 großen Raum. Erst ab dem 13. Jh. (und teilweise sogar
erst 15. Jh.) kamen mehrteilige Wohnhäuser auf. Die Häuser wurden in Trocken-
mauerwerk oder aus Holz gebaut.501 Auch im Schweizer Kanton Uri ergaben die
Ausgrabungen, dass sich dort die Häuser von der Bronzezeit bis hinauf ins 12. Jh.
kaum verändert hatten. Sie waren etwa 3 x 3 m groß, hatten ein trocken gemau-
ertes Fundament mit einem Holzaufbau in Blockbauweise, ganz ähnlich den tem-
porär bewohnten Unterkünften auf den Almen. Erst mit der Eröffnung der Gott-
hardstraße im 12. Jh. kamen mehrgeschossige und mehrräumige Häuser auf. Diese
Entwicklung hing also mit dem wirtschaftlichen Wohlstand zusammen.502 In den
Westalpen waren die meisten Häuser auch im 15. Jh. nicht mehr als einfache Hüt-
ten : schlecht gebaut, halb in der Erde und mit wenig Licht, da eine Schweinsblase
als Fensterscheibe diente.503 Diese sehr einfache Wohnform galt für den Großteil
der Bevölkerung, für die großen Gutshöfe sind auch im frühen Mittelalter durch-
aus mehrere Zimmer überliefert. 504
Die letzte große Steinbauphase gab es in den Alpen Anfang des 6. Jh., diese ist
jedoch nur an den Kirchen und Befestigungen belegt. Die einfachen Steinstrukturen
dieser Zeit sind sehr schwer zu datieren, da sie den mittelalterlichen sehr ähneln.
Wie am Beispiel St. Proculus in Naturns (siehe Abbildung 12 auf S. 179 und 21 auf
S. 277) zu sehen, ist die Datierung oft umstritten.505 Das „Leitfossil“ der karolingi-
schen Zeit, die typischen Flechtwerksteine,506 zeigen nicht unbedingt einen Neubau
an : In den Südwestalpen und in Norditalien waren diese Steine oft lediglich eine
„moderne“ Dekoration, die auf einer älteren Bausubstanz angebracht wurde.507
Die Evolution eines profanen römischen zu einem merowingischen Gebäude
konnte am Siedlungsplatz Larina an den Rändern der Westalpen dokumentiert
500 Grass, Alm und Wein 28.
501 Meyer, Rodung, Ackerbau und Viehwirtschaft 121 ff.; Meyer, Heidenhüttli 365 u. 397.
502 Stadler-Planzer, Geschichte des Landes Uri 57.
503 Rousset, Au pays de la Meije 171.
504 Bünd. UB Nr. 17 S. 13 ff. „curtem meam in Secanio, imprimis salam cum solario subter caminata,
desuper alias caminatas subter cellarium, coquina, stuba, circa curtem stabulum, tabulate, torbaces
vel alia hospitalia vel cellaria […]“ u. ä.;Kaiser, Churrätien 214 f.; Bundi, Besiedlungs- und Wirt-
schaftsgeschichte Graubündens 26 ff.
505 Nothdurfter, Frühchristliche und frühmittelalterliche Kirchenbauten 27 f.
506 Karpf, Frühmittelalterliche Flechtwerksteine 16 ff. Siehe Abbildung 16, S. 214.
507 Fixot, Provence 468.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361