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270 Menschen in den Alpen
etwa 2.000 m Höhe. Zum Gut gehörten auch vier Kirchen. Die anderen Güter des
Testaments haben einen ähnlichen Aufbau und umfassen meist noch Gewässer
und Wälder, vielleicht auch Weinberge.552 Im rätischen Reichsgutsurbar von 831
werden als Abgaben Ziegenfelle, Schafe, Widder, Wollmäntel, Lämmer und Käse
genannt : ein Zeichen für die Viehwirtschaft, insbesondere Schafwirtschaft, des Ge-
birges. Ein Verbot sonntäglicher Arbeit aus dem Jahr 800 erzählt einige bäuerliche
Aktivitäten, die in Churrätien ausgeübt wurden : Unter anderem wurden Nüsse
heruntergeschlagen, Zäune gebaut, Wäsche geflickt, Hopfen gepflückt und Bier
gebraut.553
Eine weitere Aktivität der lokalen Bevölkerung war die Erzgewinnung. Der
Bergbau scheint aufgrund der archäologischen Zeugnisse eher von Einzel personen
als von einer organisierten Gruppe ausgeübt worden zu sein.554 Dem entspricht
auch das Quellenzeugnis, wonach Anfang des 8. Jh. die Brüder Tonzo und Ledi im
Gebirge südlich von Salzburg Gold wuschen oder sogar abbauten. Ein herzoglicher
oder bischöflicher Auftrag wird nicht ausdrücklich genannt, ist aber gut möglich,
zumindest werden Abgaben fällig gewesen sein.555 In Churrätien ist dokumentiert,
dass der Bergbau schon früh in die herrschaftliche Organisation eingebunden war.
Jeder, der mit Eisenverarbeitung zu tun hatte, musste laut churrätischem Reichs-
gutsurbar den sechsten Teil an den König abgeben. Manche Familien waren von
diesen Abgaben ausdrücklich befreit.556 Eine Urkunde von 845 aus St. Gallen ver-
langt einen Zins von der entsprechenden Menge Fisch, Geld oder Eisen. Ähnliche
Abgaben finden sich auch für Salzburg im Ostalpenraum, allerdings erst rund ein
Jahrhundert später.557 Von einer systematischen Ausbeute mit dem Ziel größerer
Exporte – wie in römischer Zeit und ab etwa dem 14. Jh. – kann man aber im
Allgemeinen nicht ausgehen. Allerdings gibt es für den Voralpenraum durchaus
Hinweise auf überregionale Strukturen zum Vertrieb von Salz schon ab dem 7. Jh.,
und das Stift St. Peter in Salzburg wurde schon Anfang des 8. Jh. mit Einkünften
aus der Salzgewinnung versorgt.558
552 Bünd. UB Nr. 17, S. 13 ff.; Kaiser, Churrätien 214 f.; Bundi, Besiedlungs- und Wirtschaftsgeschichte
Graubündens 26 ff.
553 Bundi, Besiedlungs- und Wirtschaftsgeschichte Graubündens 39, 44 f., 55 f.
554 Sperl, Die Entwicklung der Metallurgie 462.
555 NA 8, BN 3 ed. Lošek 83, 91. Zur Goldgewinnung in den Ostalpen siehe auch das Kapitel „Erze“
ab S. 165.
556 Bünd. UB 381 (Rät. Reichsguturbar).
557 Erhart/Kleindinst, Urkundenlandschaft Rätien 42 und Urkunde Nr. 33 S. 211 ; Zotz, Schriftquellen
zum Bergbau 191 f.
558 NA 1,2 ed Lošek 72. Siehe das Kapitel „Salz“ ab S. 161.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361