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Wirtschaft 275
und Fleischprodukte waren anscheinend das Hauptnahrungsmittel.592 Schafe und
Ziegen waren also typisch für die Alpenwirtschaft, doch das Rind wurde zuneh-
mend wichtiger. Diese Entwicklung schloss mit der Einführung der Schwaighöfe
im 11. Jh. ab.
Die großen regionalen Unterschiede resultieren aus den unterschiedlichen na-
turräumlichen Bedingungen kombiniert mit dem Wohlstand der Bevölkerung.
Schafe sind genügsamer als Rinder und damit für größere Höhen, kältere Lagen
aber auch ärmere Menschen günstig. Schweine hingegen brauchen den Wald als
Futterquelle und können so auf den Almen gar nicht richtig gehalten werden. Rin-
der wurden seltener als im Flachland gehalten, da sie in der Haltung aufwendiger
sind : Sie benötigen wesentlich mehr Futtermittel, und können die dünne Vegetati-
onsschicht der Hochalmen aufgrund ihres Gewichts empfindlich stören. Deshalb
sind für die Almen kleinere und leichtere Rinder günstiger. Sehr kleine Rinder
waren einst in den gesamten Ostalpen verbreitet und noch bis in das 19. Jh. in
lokaler Verwendung, wurden aber zunehmend von den großen Rassen verdrängt,
die heute auf den Almen der Alpen zu finden sind.593 Die archäologisch nach-
gewiesenen, kleinwüchsigen Rinder der Alpen lobte schon Plinius als besonders
viel Milch gebend und fähig für Arbeit.594 Dennoch dürften die Römer größere
Rassen eingeführt haben.595 In der Spätantike wurden die alpinen Rassen von den
gotischen Herrschern gering geschätzt : Anfang des 6. Jh. wurde die norische Be-
völkerung angewiesen, ihre Kühe mit denen der durchziehenden Alemannen zu
tauschen : „[…] ut Alamannorum boves, qui videntur pretiosiores propter corporis
granditatem, sed itineris longinquitate defecti sunt, commutari vobiscum liceat,
minores quidem membris, sed idoneos ad laborem […]“596. Das alpine Vieh galt
also aufgrund der Körpergröße als weniger wertvoll, doch wurde seine Arbeitsleis-
tung geschätzt. Die wirtschaftliche Bedeutung der Huftiere ist an einem bekannten
frühmittelalterlichen Fresko der östlichen Zentralalpen zu erkennen : In der Kirche
St. Proculus in Naturns kann man eine bunt gemalte Rinderherde bewundern.597
In den Ostalpen stellt sich die Frage, wie die Transformation der Alm- und
Vieh wirtschaft von „romanisch“ zu „slawisch“ vor sich ging. In den Talschlüssen
592 Ciglenečki, Höhenbefestigung 144.
593 Pucher, Die Tierknochenfunde von der Plankenalm 261 ff. Heute werden die großen Rinder zuneh-
mend wieder von einer kleineren Rasse ersetzt, etwa durch das robuste schottische Hochlandrind.
Die einheimischen Kleinrinder der Ostalpen sind im letzten Jahrhundert ausgestorben.
594 Plinius, Nat. Hist. VIII 70 (179).
595 Genser, ländliche Besiedlung 338 ; Grassl, Viehwirtschaft 583.
596 Cassiodor Var. III 50.
597 Rupp, Die frühmittelalterlichen Wandmalereien 63 f.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361