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Wirtschaft 283
Buschland und durch Rodung teilweise gelichtete Laubwälder galten als Weide-
land und sind entsprechend oft in den Quellen als salictum erwähnt.642 Auch der
Wald war schon seit römischer Zeit teils intensiv genutzt :643 als Holzlieferant,
Schweineweide und Jagdgebiet für die Aristokratie. Lag der Wald auf geeigne-
tem Boden, galt er als wertvolles Rodungsland.644 Corbinian besuchte die Gegend
um Meran und beschloss wegen der Fruchtbarkeit der Erde und der Fülle seiner
Wälder dort ein hospitiolum aufzubauen.645 Besonders Slawen nützten die Ressour-
cen des Waldes. Sie sammelten Honig und ließen Schweine im Herbst unter den
Buchen- und Eichenbäumen weiden.646 Holz in Form von Reisig und Scheiterholz
diente als Energielieferant für die Küche und zum Heizen. Schon im 15. Jh. war das
Brennholz in den Westalpen, bei La Grave, so rar geworden, dass die Bevölkerung
2–3 Tage gehen musste, um es zu holen.647 Gelegentlich wurde einem Kloster
sogar nur ein Wald alleine übergeben, wie z. B. bei Reichenhall. Die Salzproduk-
tion dort legt eine holzwirtschaftliche Nutzung nahe.648 Der wirtschaftlich genutzte
Wald wurde silva genannt, im Gegensatz zum forestis, der ein größeres, vorwiegend
zur Jagd verwendetes Waldgebiet bezeichnete, das dem König gehörte.649
Die Holztrift ist schon für römische Zeit durch Inschriften bezeugt, für 890 gibt
eine Urkunde aus St. Gallen darüber Nachricht.650 Das Tannenholz war ein be-
liebtes Bauholz, es wurde in der Antike zur Errichtung von Kastellen entlang des
Rheins und der Donau genutzt. Im Mittelalter wurde es z. B. für Weinfässer ver-
wendet.651 Richtige Urwälder gab es nur mehr in den dünn besiedelten Gegenden
der Alpen, etwa im Raum Mariazell. Die Mittelgebirgsterrassen und Schwemm-
kegel waren als bevorzugtes Siedelgebiet schon bald ganz waldfrei und auch die
Hänge lichteten sich zunehmend.
642 Z. B. in Churrätien. Bundi, Besiedlungs- und Wirtschaftsgeschichte Graubündens 95. Buschland
war früher überhaupt viel häufiger als heute, denn wenn aufgegebene Kulturflächen überwuchsen,
konnte sich dort aufgrund der Beweidung kein richtiger Wald mehr entwickeln. Van Groenman-
Waateringen, Wasteland 114.
643 Bender, Agrargeschichte Deutschlands 321 ; Genser, ländliche Besiedlung 335 für die Belege für
Noricum.
644 Bitterauf, Traditionen Freisings LXXXIII.
645 Arbeo von Freising, Vita Corbiniani c. 23 ed. Glaser/Brunhölzl 129 : „terram fructiferam et silvarum
habent copiam“.
646 Ed. Göckenjahn/Zimonyi, Orientalische Berichte Ibn Rusta 80 ff.; Gardizi 178 ff.
647 Rousset, Au pays de la Meije 69.
648 Trad. Freis. ed. Bitterauf Nr. 378 (817) S. 312.
649 Bundi, Besiedlungs- und Wirtschaftsgeschichte Graubündens 96 f. Siehe auch die Begriffsdefinitionen
in Brunner, Herzogtümer und Marken 430 ff.
650 Kaiser, Das Wasser der Berge 96.
651 Küster, Geschichte der Landschaft 161.
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Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361