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292 Menschen in den Alpen
alpenraum : Hier lebte laut Quellen im 6. Jh. eine „romanische“ und im 8. Jh. eine
„slawische“ Bevölkerung. Von einer „Landnahme“ im 7. Jh. kann trotzdem keine
Rede sein, doch mehr dazu in den folgenden Kapiteln.
Eine größere Einwanderung von Menschen aus dem deutschsprachigen Voral-
penraum in das Gebirge gab es bis zum 9. Jh. nicht. Auch die Voralpen der heu-
tigen Schweiz waren bis um das Jahr 900 noch sehr romanisch geprägt, obwohl
sie unter alemannischer Herrschaft standen.700 In einigen Regionen der östlichen
Voralpen des heutigen Baiern und Salzburgs ist die Romanitas ebenfalls im 8. Jh.
noch gut fassbar.701 Erst die Expansion des hohen Mittelalters brachte größere
Wanderungsbewegungen innerhalb der und in die Alpen mit sich. Der allgemeine
Bevölkerungsanstieg und die zunehmende Spezialisierung ermöglichten es nun,
auch bisher unbesiedelbare Täler und Höhen der Alpen zu bewirtschaften. Ein
Träger dieser Wanderungen waren beispielsweise die Walser ab dem 11. Jh. Diese
deutschsprachige Bevölkerung des oberen Wallis (der Name „Walser“ lässt sich
aus „Walliser“ herleiten) wurde von Klöstern und Feudalherren angeworben, um
abgelegene Täler und bislang noch unerschlossene Gebiete in den Alpen zu be-
siedeln.702 Sie spezialisierten sich auf die Viehwirtschaft und konnten ohne zusätz-
liche Versorgung von außen nicht überleben. Die höchsten Dauersiedlungen der
Alpen sind bis in die Gegenwart meist alte Walserdörfer. Die Einwanderung der
heute unter dem Namen „Zimbern“ bekannten deutschsprachigen Menschen in
die norditalienischen Alpen hatte ähnliche Hintergründe. Auch in den späteren
Jahrhunderten war die alpine Bevölkerung noch großen Zu- und Abzügen unter-
worfen. Als Beispiel sei nur kurz die Gegenreformation erwähnt, die bewirkte, dass
die Ausweisung der Protestanten aus Salzburg 1731/32 eine Vielzahl der Höfe im
Pongau veröden ließ. Diese wurden mit Bauern aus Tirol wiederbesetzt.
Über das Zusammenleben der einzelnen Bevölkerungsgruppen in den frühmit-
telalterlichen Alpen, die teilweise verschiedene Sprachen hatten und neben dem
„eingesessenen“ katholischen Glauben Arianer oder Heiden sein konnten, kann
leider nur sehr wenig gesagt werden. Gelegentlich werden Mythen und Sagen
dazu herangezogen, dieses Zusammenleben zu erklären, doch ist hier Vorsicht
700 Stadler-Planzer, Geschichte des Landes Uri 40.
701 Wolfram, Grenzen und Räume 295 ff.; siehe auch das Kapitel „Lokale Macht und Herrschaft : Der
zentrale Alpen-und Voralpenraum“ ab S. 305.
702 Der Wechsel von Romanisch auf Deutsch im Gebiet des frühmittelalterlichen Churrätien dürfte
erst mit einem größeren Zuzug deutschsprachiger Siedler aus dem nördlichen Voralpenraum sowie
den Walsern im 13.–15. Jh. erfolgt sein. Dies und die zunehmende Dominanz des Deutschen als
Gerichts- und Urkundensprache bewirkten erst, dass die Sprachgrenze bis nach Chur vorrückte.
Bundi, Besiedlungs- und Wirtschaftsgeschichte Graubündens 78 f.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361