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296 Menschen in den Alpen
eher am schon flachen Alpenausgang. Wichtige Ausnahmen sind Innichen und
Bischofshofen.
Eine zentrale Entwicklung am Übergang zwischen Spätantike und Mittelalter
war die Transformation der antiken Stadtkultur. Zunächst wird die Begrifflichkeit
breiter. Das Wort civitas verlor die administrative Bedeutung der Antike ganz.
Bezeich nungen für mittelalterliche Zentren waren oppidum, castrum aber auch lo-
cus, wobei die genaue Bedeutung von Text zu Text variieren kann. Für die Wahr-
nehmung eines Ortes als „Stadt“ wurde eine Ummauerung wichtig.
Die Zentralorte der Spätantike konnten im Wesentlichen drei Schicksale er-
leiden : Kontinuität, Verlagerung des Siedlungschwerpunktes oder Untergang.
Diese Punkte sind eng mit der oben dargelegten Geschichte der Bistümer ver-
woben. Aber auch politische Entscheidungen der Herrschenden konnten neue
Orte bedeutend machen, so in den Ostalpen, wo die slawisch-awarischen Herr-
scher des 7. Jh. offenbar andere Plätze als die ehemaligen spätantiken Zentren
bevorzugten.
Die ländliche Besiedlung der Alpen ist schwer zu definieren, da von einfache-
ren Behausungen, die im frühen Mittelalter normalerweise aus Holz waren, nur
wenige Spuren zu finden sind. Dies liegt auch am Naturraum, da die Siedlungen
im Gebirge von Muren und Lawinen völlig zerstört werden können. Sogenannte
shifting villages waren Dörfer, die innerhalb eines kleinen Raumes nach einigen
Jahrzehnten den Platz wechselten, um möglichst nahe den gerade genutzten
Ackerflächen zu sein. Hier wurden die Unterkünfte von vornherein nicht auf eine
lange Lebenszeit hin aufgebaut. Einzig die steinerne Kirche bildete den lokalen
Mittelpunkt. Die archäologisch leichter aufzuspürenden Villen und Gutshöfe ver-
schwinden größtenteils mit dem 5. Jh.
Für eine Siedlung war die richtige Wahl des Platzes im Naturraum Alpen be-
deutend. Größere Zentren der Alpen lagen aufgrund der Versorgungsmöglichkei-
ten entweder in breiten Abschnitten der Haupttäler oder sehr nahe am Alpen-
ausgang. Für Dörfer waren die am Südhang gelegenen Mittelgebirgsterrassen am
günstigsten, hier liegen daher die ältesten Siedlungsgebiete der Menschen in den
Alpen. Über die Bevölkerungsdichte eine Aussage zu machen, ist kaum möglich.
Aus einzelnen Hinweisen kann man aber ableiten, dass die Haupttäler der Alpen
durchaus dicht besiedelt gewesen waren. Für das frühe Mittelalter zeigten sich
in den West- und Zentralalpen keine Anzeichen einer Bevölkerungsabnahme, im
Gegenteil, hier wird gelegentlich sogar ein Zuzug angenommen. In den Ostalpen
kann aufgrund der fehlenden Funde und Quellen nur wenig gesagt werden, Orts-
namen und einige archäologische Funde deuten ein durchaus dichtes Netzwerk an
Siedlungen an, das sich bis in kleinere Seitentäler erstreckte.
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Buch Die Alpen im Frühmittelalter - Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800"
Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361