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Der zentrale Alpen- und Voralpenraum 309
tal lebte.51 Eine Doppelbezeichnung bezüglich der Herkunft findet sich auch noch
827, also rund 50 Jahre später, als sich der reich begüterte Edle Quarti als nationis
Noricorum et Pregnariorum einordnet.52 Das Eisacktal galt als vallis Noricana und
taucht in den Quellen als „Nurihtal“ auf. Der frühmittelalterliche Herrschaftsraum
des Nurihtals umfasste bald auch das mittlere Inntal und erstreckte sich bis Meran.
Der Name wurde von der antiken Provinz Noricum ererbt.53 Romanus und eine
Natio Noricorum, deren römische Wurzeln wohl bekannt waren, dienten also noch
im 9. Jh. in Baiern als (Selbst ?-)Bezeichnung.54
Wie auch schon im Testament des Abbo und in der Stiftungsurkunde von Schar-
nitz wird die Herkunft des Besitzes aus dem elterlichen Erbe ausdrücklich erwähnt.
Die Mutter ist hierbei ebenso wichtig und wird in allen drei Testamenten nament-
lich genannt.55 Quarti übergab Besitz an das in dieser Zeit freisingische Kloster In-
nichen. Er besitzt Güter in der Befestigung ad Uuipitina (Vipiteno/Sterzing) sowie
im dortigen vicus, ebenso in villulis des Wipptales und bei Bozen. Zu seinem Besitz
gehören auch abhängige Mancipien. Gezeichnet wird die Urkunde von zahlrei-
chen Männern mit romanischen Namen : Secundo, Lupo, Urso und andere. Sie alle
werden nach bairischem Recht bei den Ohren gezogen. Es gab also keine Sonder-
rechte für die romanischen Bewohner Baierns, wie im salischen Recht,56 oder eine
rechtliche Trennung der Bevölkerung, wie im Liber constitutionum der Burgunder,57
obwohl die Bevölkerung in diesem Raum zu dieser Zeit noch fast durchgehend
romanisch gewesen sein dürfte. Spekulationen über den antiken Ursprung dieser
Familie sind wohl überzogen.58 Übrigens findet sich auch in den ersten urkundlich
belegten Priestern Freisings ein Quartinus und in den sechziger Jahren des 8. Jh.
ein Dominicus.59
Im bairischen und österreichischen Voralpenraum kann man heute noch an vie-
len Ortsnamen, die das Element „Wal-“ oder „Walch-“ enthalten, das Erbe der
51 Arbeo von Freising, Vita Corbiniani c. 37 ed. Glaser/Brunhölzl 146.
52 Trad. Freis. ed. Bitterauf Nr. 550 S. 472 ; Wolfram, Salzburg, Bayern, Österreich 35 f.
53 Salzbg. UB Codex Odalberti Nr. 1 923, S. 66 f. Wolfram, Salzburg, Bayern, Österreich 73 und Gren-
zen und Räume 298 f.; Klebel, Das Fortleben des Namens „Noricum“ 48.
54 Wolfram, Salzburg, Bayern, Österreich 37.
55 Quarti „mater mea Clauza“ ; Testament des Abbo c. 1, c.3, c. 41 ed. Geary 40,64.; Scharnitz : Trad.
Freis. ed. Bitterauf Nr. 19 S. 46.
56 Wolfram, Grenzen und Räume 439 FN 114.
57 Kaiser, Burgunder 111.
58 Heitmeier, Inntal 133 f.; Wolfram, Salzburg, Bayern, Österreich 35. Die Überlegungen basieren auf
den Fund eines Grabsteines aus dem 2./3. Jh. in Mules, nur wenige Kilometer von Vipiteno/Sterzing
entfernt, den ein Aelius Quartinus seiner Mutter Aurelia Rufina widmete. CIL 05, 5083.
59 Jahn, Ducatus 154.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361