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Der zentrale Alpen- und Voralpenraum 315
Kaplan Urso und dessen Herzog Odilo gewaltsam den Besitz entfremden lassen,
formulieren die BN vorsichtiger und gestehen dem Herzog Nichtwissen zu.87 Je-
denfalls ist in beiden Quellen die Zustimmung des Herzogs zur Gründung eines
Klosters notwendig. Sein Mitwirken an der Gründung der Maximilianzelle sowie
der Streitfall zeigen, dass die Salzburger Kirche keinesfalls alleiniger Herr über das
Kloster war. Die Maximilianzelle wurde unter Herzog Odilo zu einem „[…] Typus
des neuen Herzogsklosters, in dem sich herzogliche Autorität, geistliche Institu-
tion und adelige Interessen modellhaft bündelten.“88 Erst Bischof Virgil wollte das
offenbar nicht hinnehmen und versuchte mit der Betonung der Mitwirkung Ru-
perts an der Zelle diese ganz für den Salzburger Bischof zu erlangen.89
Die BN betonen die Einsamkeit der Lage mit dem Ausdruck in heremum. Dies
geschah – wie auch schon bei der Gründung von Scharnitz, aber auch Fulda – mit
der Absicht, eine Gründung an einem unbewohnten Ort zu suggerieren und damit
den Besitzansprüchen der dort schon vorher begüterten Menschen, in diesem Fall
wohl den Oberalmern, Wind aus den Segeln zu nehmen.90 Auch den Satzteil „lo-
cum, qui nunc dicitur Pongo“ kann man so interpretieren, dass die BN suggerieren
wolle, dass der Ort erst mit Gründung der Zelle einen Namen bekommen habe.91
Die Bedeutung von Bischofshofen als erstes inneralpines Kloster der Ostal-
pen kann daher nicht unterschätzt werden, zeigen sich doch an diesem Beispiel
mehrere Komponenten des frühmittelalterlichen Lebens in den Alpen. Erstens
gab es hier analog zum Inntal bzw. Wipptal grundbesitzende Romanen. Doch
im Gegensatz zum oben genannten Quartinus waren die Salzburger Roma-
nen offenbar Abhängige. In der NA ist dies noch nicht sichtbar, doch die BN
betonen diese Stellung sehr.92 Es handelt sich dabei vielleicht um eine spätere
87 Gerade dieser Abschnitt ist in Auslassungen und Formulierungen sowohl bei den BN als auch der
NA tendenziös, meist prokarolingisch und zumindest gegenüber Odilo und Tassilo eher negativ,
weniger gegenüber den früheren Agilolfingern (Lošek, Notitia Arnonis und Breves Notitiae 49 und
FN).
88 Jahn, Ducatus 206.
89 Ebd. 80 ff., 83 ff. u. 203 ff. über den „Typus“ der Maximilianzelle und den Konflikt mit Virgil.
90 S. o. FN 68. Obwohl in den Texten ausdrücklich von Gütern im Raum Bischofshofen die Rede ist,
geht die Forschung oft noch davon aus, dass die Maximilianzelle tatsächlich in der Einsamkeit ge-
gründet wurde.
91 Laut der Ortsnamenforschung enstammt „Pongau“ wohl der keltischen Sprache („bona“ = kelt.
Platz), eine Herleitung aus dem germanischen „bona“ = Bohne scheint aber auch möglich. Haus-
ner/Schuster, Altdeutsches Namensbuch SW „Pongau“. Dazu auch Jahn, Ducatus 66 : „Die Namen-
gebung einer Landschaft muß aber als Ausdruck für deren herrschaftliche Besitzergreifung verstan-
den werden […]“.
92 Zur Stellung der Oberalmer im Vergleich zu den anderen genealogiae Baierns : Jahn, Ducatus 234 ff.,
244 ff.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361