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316 Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen
Entwicklung, die zur Unterstützung beim Besitzstreit in das beginnende 8. Jh.
rückverlegt wurde.
Vielleicht hat diese abhängige, aber herzogsnahe Stellung der Oberalmer ihre
Wurzeln in der spätantiken Verteidigungsorganisation des Raumes. Denn noch im
8. Jh. erscheinen diese Romanen als barscalci und exercitiales in den Quellen. Sie of-
fenbaren damit die Zugehörigkeit zu einer militärischen Schicht. In anderen Räu-
men wurden diese Halbfreien milites genannt.93 Es stellt sich allerdings angesichts
des Quarti die Frage, ob es auch im Salzburger Raum freie Romanen gegeben hat.
Vielleicht sind diese angesichts der stärkeren und früheren Germanisierung der
Namen einfach nicht mehr sichtbar. Oder aber die Oberalmer sind nicht Nach-
kommen ehemals römischer Militärbauern, die sich profilieren konnten94, sondern
entstammen den ehemaligen spätantiken Eliten, die ihre hochrangige Stellung
nach Wegfall des römischen Staates verloren und sich erst später in die Abhängig-
keit des bairischen Herzogs begeben mussten.
Aufgrund der Prominenz, die der Streit um die Maximilianzelle in den BN ein-
nimmt, kann man schließen, dass die Sache noch um 800 nicht bereinigt war. Die
genealogia Albina dürfte also auch nach dem Sturz Tassilos noch mächtig genug
gewesen zu sein, um in diesem Streitfall gegen die Salzburger Kirche auftreten zu
können.
Das Gebiet der Voralpen zwischen Lech und Salzach war ab dem 8. Jh. bis
in unsere Zeit hinein Klosterland.95 Es ist auffällig, dass sich gerade hier bzw.
etwas weiter südlich die oben analysierten Zonen der alpinen Romanitas befan-
den. Laut C. Wickham96 wurden Regionen, die während des frühen Mittelal-
ters relativ unabhängig von feudalen oder spätantiken Besitzstrukturen in einer
bäuerlich-tribalen Form bewirtschaftet wurden, bei Wiedererstarken der überre-
gionalen Mächte gerne von den Königen Klöstern übergegeben. In diesem Zu-
sammenhang lässt sich an den pagus desertus von Scharnitz denken. Allerdings ist
zu bemerken, dass gerade im Alpenvorland im frühen 8. Jh. die Besitzstrukturen
ausgeprägt sind und hier Besitzungen sogar mit Unfreien bewirtschaftet wur-
den.97 In den Quellen finden sich wenig Spuren einer relativ egalitären und lo-
kal strukturierten, bäuerlichen Gesellschaft. Das gilt auch für das Gebirgsinnere,
93 Wolfram, Grenzen und Räume 295 f.; Jahn, Ducatus 247, 255. Dazu auch Wickham, Framing 568 f.
zu dem gesellschaftlichen Aufstieg bewaffneter Gefolgsmänner, die letztlich als lokale Militäraristo-
kratie meist dem Bauernstand entstammten.
94 Wolfram, Grenzen und Räume 297.
95 Bosl, Bayerische Geschichte 61.
96 Wickham,Framing 540.
97 Wickham, Framing 300.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361