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Der Ostalpenraum : Von Binnennoricum zu Karantanien 323
In der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus aus dem Ende des 8. Jh. wird
Karantanien zum ersten Mal namentlich erwähnt : Um 665/670 floh der Sohn des
Herzogs von Friaul „ad Sclavorum gentem in Carnuntum, quod corrupte vocitant Ca-
rantanum“, um von dort mithilfe der Slawen die Rückeroberung Friauls in Angriff zu
nehmen. Doch er scheiterte.131 Karantanen werden nur in diesem Absatz namentlich
erwähnt, ansonsten spricht Paulus Diaconus meist nur allgemein von Slawen.132
Baiern – eventuell mit fränkischem Auftrag – und Langobarden versuchten im-
mer wieder, ihre Herrschaft auf den Alpenraum auszudehnen. Zunächst wurde
im Jahr 610 das bairische Heer bei Aguntum von Slawen besiegt.133 Weiter im
Westen waren die bairischen Herrscher erfolgreicher. Spätestens 680 gab es einen
bairischen Grafen in Bozen, und man kann annehmen, dass das dazwischenlie-
gende Gebiet des Inntals schon vorher zumindest nominell in Abhängigkeit zum
bairischen Herzog stand. Ab dem beginnenden 8. Jh. versuchten die bairischen
Herzöge, mittels Klostergründungen ihren Herrschaftsraum Richtung Osten und
Südosten auszudehnen und zu festigen.134
Bis zum langobardischen König Ratchis (744–749, vorher ab 738 Herzog von
Friaul) mussten die slawischen Regionen Meclaria und Zellia dem friaulischen Fürs-
ten Tribut zahlen. Man nimmt an, dass damit das heutige Maglern und das Gailtal
im ehemaligen Binnennoricum gemeint sind.135 Auch die Franken zeigten im 7. Jh.
gelegentlich Macht und Willen, im Osten aktiv zu sein. Dies kann beispielsweise
an der Auseinandersetzung König Dagoberts mit Samo gesehen werden.136 Der
binnennorische Raum lag für die Franken aber zu weit entfernt und war außerdem
durch Baiern und Langobarden schon in den östlichen Zentralalpen blockiert, um
unmittelbar interessant zu sein.137
Welche Macht auch immer im Ostalpenraum herrschte : Sie muß auf festen
Füßen gestanden sein, um nach der Auflösung des Reiches von Samo vor der Er-
oberung nicht nur der Awaren, sondern auch der Baiern und Langobarden sicher
zu sein. Denn wenn die Region nur schlecht verteidigt und/oder dünn besiedelt ge-
131 Paulus Diaconus Hist. Lang. V 22 ; Krahwinkler, Friaul 49.
132 Wolfram, Conversio 76 und FN 10 zu den einzelnen Varianten. Paulus kennt auch eine carniola
Sclavorum patria in Hist. Lang. VI 52.
133 Paulus Diaconus Hist. Lang. IV 39.
134 Siehe dazu das Kapitel „Klöster der Alpen“ ab S. 230.
135 Paulus Diaconus Hist. Lang. IV 38 ; Krahwinkler, Friaul 45 ; Pohl, Awaren 259.
136 Fredegar IV 68.
137 Allerdings scheinen fränkische Könige immer daran interessiert gewesen zu sein, den inneralpinen
Verbindungsweg über Currätien, Vinschgau und das Pustertal Richtung Osten aufrechtzuerhalten.
Siehe S. 135 ff. Möglicherweise waren Franken auch im Inntal noch bis in das 7. Jh. präsent. Heit-
meier, Inntal 207 ff.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361