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Der Ostalpenraum : Von Binnennoricum zu Karantanien 325
Die dort gefundene Keramik ist einfach und zeigt Kontinuitäten zu spätantiken
Stücken. Sie werden daher von S. Ladstätter „als romanische Erzeugnisse des frü-
hen 7. Jh.“144 gesehen. Ähnliche Gefäße finden sich am Duel, Ulrichsberg, in Gra-
fenstein und in Tinje.145 Ansonsten sind die Hinterlassenschaften der Bevölkerung
des 7. Jh. rar und schwer einzuordnen. In den frühmittelalterlichen Gräberfeldern
am Judenbichl und in Völkendorf in der Nähe der spätantiken Höhensiedlung
Santicum am Tscheltschnigkogel können zwei Frauengräber in das 7. Jh. datiert
werden, ihre Grabbeigaben deuten ebenfalls auf romanische Traditionen.146
Diese Fundlücke, gemeinsam mit der Quellenlücke, war schon jeher ein Anlass
für verschiedenste Spekulationen. Die ältere Forschung ging davon aus, dass zuerst
die romanische Bevölkerung durch Abwanderung schrumpfte und der Rest durch
die einwandernden Slawen und Awaren ermordet oder versklavt wurde. Die Zu-
wanderer wiederum waren so gering an der Zahl, dass einwandernde bairische
Bauern bald den Hauptanteil der Bevölkerung stellten. Dadurch wäre aus einer rö-
mischen Provinz innerhalb von 300 Jahren über ein kurzes slawisches Intermezzo
eine „deutsche“ geworden. Dies erinnert freilich gar sehr an die oben genannte
Legende über die Burgunder, nach der man offenbar schon 300 Jahre nach der
burgundischen Übernahme der Herrschaft annahm, dass die burgundischen Heer-
scharen alle einheimischen Römer getötet hätten. Diese Vermutung galt, obwohl
in Burgund nach wie vor eine romanische Sprache gesprochen wurde. Man sieht,
wie schnell kulturelle Identitäten abgelöst werden können. Heute wird versucht,
solche ethnischen Prozesse differenzierter zu sehen und darzustellen, wie verschie-
dene Einflüsse neue Völker formen können.147
Im Gegensatz zu den meisten anderen barbarischen Herrschaften sahen Awaren
und Slawen die antik-römische Kultur auf einigen Gebieten nicht als nachahmens-
wert an. Dies gilt für das Christentum, für das Lateinische als Verkehrssprache,
aber auch für die Stadtkultur. 148 Awaren und Slawen schufen neue Zentren und be-
hielten ihren Glauben. Dies war vor allem für die romanische Elite der eroberten
Räume ein Problem, da sie gerade auf die Strukturen von Stadt und Christentum
144 Ladstätter, Hemmaberg 159 ff.
145 Schretter, Von noricum meditteraneum 232.
146 Gleirscher, Karantanien 116.
147 Grundsätzlich zu Ethnogenese im frühen Mittelalter : Wenskus, Stammesbildung und Verfassung ;
Wolfram/Pohl (Hg.), Typen der Ethnogenese ; Geary, Europäische Völker ; für die Archäologie :
Brather, Zwischen Spätantike.
148 Die Alltagskultur wurde durchaus übernommen, beispielsweise in Keramik oder auch Almwirt-
schaft (siehe S. 275 f.), im Gegensatz zu den Höhensiedlungen (siehe S. 249 f.) und dem Christen-
tum (siehe Kapitel „Das Christentum in den Ostalpen : Gekappte Wurzeln ?“ ab S. 207).
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361