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Der Ostalpenraum : Von Binnennoricum zu Karantanien 327
samen Gelände und Wald als besonders geübt galten,158 während das awarische
Reiterheer in solchen Gebieten eher ungern operierte. Erst 610, als die Baiern mit
einem großen Heeraufgebot bei Aguntum standen, war es offenbar notwendig,
dass ein größerer awarischer Heeresverband in die Ostalpen kam. Dieser dürfte
bald wieder abgezogen sein.
Dennoch hinterließen die Awaren Spuren in den inneralpinen Gebieten. So
können die Ortsnamen Fanning (Lungau), Fohnsdorf (Judenburg) und Pfannsdorf
(Jauntal) vielleicht vom Fürstentitel „Ban“ abgeleitet werden, der eventuell schon
von den Awaren genutzt wurde. Das bedeutet nicht unbedingt die Residenz, aber
zumindest den Besitz eines Fürsten an diesem Ort.159 Möglicherweise steht der
Name des awarischen Herrschers Baian mit diesem Titel in Verbindung. Auch
Kroaten nutzten diesen Titel, wie auch eine andere Rangbezeichnung östlicher
Herkunft – Župan – bei vielen slawischen Gruppen in Gebrauch war.160 Die Über-
nahme östlicher Titel deutet auf die Übernahme der Organisationsstruktur der
Awaren. Die Durchdringung der karantanischen Herrschaftsschicht mit awari-
schen Traditionen wird im 8. Jh. durch den Gebrauch der Gürtelgarnitur als
Machtzeichen demonstriert. Dazu später.
Reichtum spielte sich im 7. Jh. im Ostalpenraum offenbar auf einer anderen
Ebene ab als in steinernen Gebäuden und prunkvoller Grabausstattung. Dass rei-
cher Schmuck und Bewaffnung nicht in Gräbern mitgegeben wurde, bedeutet
nicht, dass es ihn nicht gegeben hat. Aber man wollte oder konnte es sich nicht
leisten, diese Güter in Gräbern gleichsam zu vernichten. Reichtum kann sich in
wertvoller Kleidung, etwa aus Seide, oder in größeren Viehbeständen geäußert ha-
ben. Gerade von nomadisch lebenden Völkern ist bekannt, dass sich deren Anfüh-
rer und Anführerinnen in prunkvollen Zelten aufhielten. Diese Art von Wohlstand
kann mit archäologischen Mitteln fast nicht aufgespürt werden.
Das Verstummen einer Region wie die binnennorische ist im spätantiken und
frühmittelalterlichen Europa nicht einzigartig. Analogien gibt es etwa im England
des 5. Jh. Hier nahm die ältere Forschung einen Bevölkerungswechsel von kelto-
romanisch zu angelsächsisch an. Diese Ansicht wird heutzutage zugunsten eines
temporären Nebeneinanders und langsamen Zusammenwachsens revidiert.161
wähnten Gürtelgarnituren, die als Repräsentationsmittel im awarischen Raum genutzt wurden und
auch in den Ostalpen auftreten. Pohl, Awaren Karte 4.
158 Prokopios Bell. Got. VII 22.3 ed. Dewing 342 ; das Strategikon des Maurikios XI 4 betont die Vor-
liebe der Slawen für bewaldetes und nicht leicht zugängliches Gebiet.
159 Kahl, Der Staat der Karantanen 171.
160 Pohl, Awaren 266.
161 Wickham, Framing 308.
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Die Alpen im Frühmittelalter
Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Alpen im Frühmittelalter
- Untertitel
- Die Geschichte eines Raumes in den Jahren 500 bis 800
- Autor
- Katharina Winckler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78769-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Alps, Transformation of the Roman World, Early middle Ages, Culture, Economy, Power Structures
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute Bergbücher
Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung 9
- 2 : Naturraum Alpen 22
- Begriffsdefinitionen 22
- Geologie 25
- Böden 27
- Wasser 28
- Naturkatastrophen 30
- Vegetationszonen 32
- Fauna 35
- Einstige Fauna und Flora der Alpen 36
- Das Klima in den Alpen : Gegenwart und Vergangenheit 38
- Das Gebirgsklima 39
- Lokale Faktoren 40
- Trockenes Klima der inneralpinen Täler 44
- Feuchtes Klima der Gebirgsrandlagen 46
- Zusatz : Klimatabelle ausgewählter Orte 48
- Das Klima des Frühmittelalters 49
- Globale Klimarekonstruktion 50
- Das frühmittelalterliche Klima in den Alpen 52
- Auswirkungen auf den Menschen 55
- Zusammenfassung 60
- 3 : Der Zugriff auf die Alpen und Blick von außen 62
- Die Alpen als Grenze 62
- Die Alpen als Mauern Italiens : Literarisches Bild und Realität 62
- Gotenkriege und Franken in den Alpen 72
- Karolinger und Ausblick 81
- Grenzen in den Alpen 83
- Konzept 83
- Grenzorganisation in den Alpen 87
- Bergwächter und militante Einheimische 87
- Befestigungen 90
- Slawisch-Awarische Grenzstrukturen Wahrnehmung der Alpen im Frühmittelalter : Furchtbares Gebirge, von den 95
- Römern bis Heinrich IV 100
- Zusammenfassung 110
- 4 : Über die Alpen : Kommunikation und Verkehrswege 114
- 5 : Menschen in den Alpen 172
- Christentum 172
- Entwicklung des Christentums in den Alpen 173
- Spätantikes und frühmittelalterliches Heidentum 182
- Patrozinien Die alpinen Kirchenprovinzen vom 6. bis zum 8. Jahrhundert : Fluktuation, 184
- Neuorientierung, Untergang 187
- Lokale christliche Topografie im Wandel 193
- Das Christentum in den nördlichen Voralpen –
- Neugründung oder Kontinuität ? 203
- Das Christentum in den Ostalpen – Gekappte Wurzeln ? 207
- Ausblick : Das Christentum im Alpenraum unter den Karolingern 217
- Klöster in den Alpen 219
- Westalpen 223
- Zentralalpen 224
- Alemannisches und bairisches Voralpenland 228
- Ostalpen 230
- Besiedlung 235
- Zentren 236
- „Stadt“ : Konzept und Begriffe 236
- Evolution der Städtischen Zentren im frühen Mittelalter 239
- Höhensiedlungen und Burgen 249
- Ländliche Siedlungen und Gutshöfe 254
- Wohnen im Frühmittelalter 259
- Siedlung : Lage und Versorgung 262
- Besiedlungsdichte 265
- Wirtschaft 268
- Alm- und Viehwirtschaft 271
- Ackerbau 279
- „Einöde“ : Sumpf, Wald, Hochgebirge 282
- Bevölkerung 284
- Migration 285
- Zusammenfassung 294
- 6 : Lokale Macht und Herrschaft in den Alpen 299
- 7 : Resümee 344
- 8 : Abbildungen 353
- 9 : Literaturverzeichnis 361